Vom thread
"Asozialstaat Deutschland: Längst zunehmend Lebensrealität" hierher kopiert:
Excubitor hat geschrieben:Kommentar
Wie schon mehrfach in unterschiedlichen Themensträngen erwähnt, fällt es in verschiedensten Lebenszusammenhängen nach solchen und ähnlichen Urteilen immer schwerer, die deutsche Justiz überhaupt noch ernst zu nehmen. Man muss mittlerweile die Frage stellen, ob ein Zusammenhang zwischen der aktuellen Lebensrealität und einigen Gerichtsurteilen steigender Anzahl, die fast immer auf einen Täterschutz hinauslaufen, überhaupt noch bejaht werden kann."
Man müsste auch weiter fragen, wieso es überhaupt zu einem höchstrichterlichen Realitätsverlust kommen kann. Wenn Menschen über jeder Kritik stehen und niemals für ihre Fehler einstehen müssen, hat das in Einzelfällen psychopathologische Folgen:
Cäsarenwahnsinn
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Quidde bezog seine Aussagen explizit auf Kaiser Caligula (37–41 n. Chr.). Er ging davon aus, dass manche Herrscher unter dem „Eindruck einer scheinbar unbegrenzten Macht“ glaubten, nicht mehr an Recht und Gesetz gebunden zu sein und, beeinflusst von der Schmeichelei ihrer Umgebung und der eigenen Propaganda, an die eigene Übermenschlichkeit oder gar Göttlichkeit zu glauben begännen.
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https://de.wikipedia.org/wiki/C%C3%A4sarenwahnsinnAls Beispiel mutmaßlich pathologischer Abgehobenheit von der Lebenswirklichkeit und den Fundamenten der Rechtsordnung mag diese Kolumne des "Strafrechts - Papstes" Fischer dienen, die ich kürzlich auf Facebook kommentiert habe:
Fischer im Recht / Grundbegriffe des Strafrechts :
Notwehr: Das Recht muss dem Unrecht nicht weichen
Eine Kolumne von Thomas Fischer
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A erwacht durch Geräusche an der Eingangstür. Er nimmt seine Pistole und schleicht zur Treppe. Seiner Verlobten sagt er, sie solle telefonisch Alarm schlagen, weil er überfallen werde. Er schaltet das Licht im Treppenhaus ein und ruft: "Verpisst Euch!", denn er ist der Überzeugung, "Killer" machten sich an seiner Tür zu schaffen. Draußen bohrt das SEK-Mitglied X an der Tür herum, hinten stehen die Kollegen mit einer Ramme, der Staatsanwalt wartet in sicherer Entfernung. Auch als im Haus das Licht angeht und ihm das mitgeteilt wird, bohrt X weiter; drei von vier Riegeln hat er schon geknackt.
A denkt: Jede Sekunde kann die Tür aufgebohrt sein, dann dringen schwerbewaffnete Banditen herein, um mich zu töten. Also schießt er. Er zielt auf die Milchglasscheibe der Eingangstür, hinter der er einen Schatten sieht; die Folgen sind ihm egal. Polizist X, der in diesem Moment den Arm hebt, wird durch den Armausschnitt seiner Schutzweste zufällig tödlich ins Herz getroffen. Jetzt (!) rufen die anderen Beamten: "Polizei! Aufhören zu schießen!" A öffnet das Fenster, wirft seine Pistole heraus und ruft: "Seid ihr verrückt? Warum gebt ihr euch nicht zu erkennen?"
Dies – nach den Feststellungen eines deutschen Landgerichts – waren die Tatsachen. Ob sie genau so stimmen: Der Kolumnist weiß das so wenig wie alle anderen, die nicht dabei waren, aber eine "Rechtsmeinung" zu diesem Fall haben. Das Gericht, das über die Anklage wegen Totschlags gegen A entscheiden musste, hat sie so festgestellt.
Und das Landgericht hat gemeint: A sei zwar objektiv nicht in einer Notwehrlage gewesen, habe eine solche aber irrtümlich angenommen. Allerdings hätte er sich so verhalten müssen, wie diese fälschlich angenommene Notwehrlage es von ihm verlangt hätte: Er hätte zumindest zunächst einen Warnschuss abgeben müssen. Ergebnis: Verurteilung wegen vorsätzlichen Totschlags. Der Bundesgerichtshof hat auf die Revision des Angeklagten das Urteil aufhoben und den Angeklagten wegen Notwehr freigesprochen (2 StR 375/11, Urteil vom 2. Nov. 2011). Die Entscheidung hat, nicht nur unter Polizeibeamten, für Widerspruch und Empörung gesorgt.
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Zum Abschluss noch zwei Fragen: Was ist es, das Gary Cooper in "High Noon" unternimmt: Notwehr, Notwehrprovokation, Notwehrexzess? Und was meinte der bayerische Ministerpräsident mit der (Staats)notwehr gegen "Berlin"?
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http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitges ... ht/seite-3http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitges ... ht/seite-5Wer nicht völlig von der Lebenswirklichkeit abgehoben ist, würde sich nicht aus den Fingern lutschen, was "A denkt", sondern wie zuvor das LG Koblenz feststellen, dass ein Warnschuss selbstverständlich zumutbar ist, solange die vermeintlichen Angreifer noch nicht einmal geschafft haben, die Tür aufzubrechen.>> Zum Abschluss noch zwei Fragen: Was ist es, das Gary Cooper in "High Noon" unternimmt: Notwehr, Notwehrprovokation, Notwehrexzess? <<
Das war ganz eindeutig Notwehr. Der "Held" hat den Bösewichtern sogar den ersten Schuss überlassen, obwohl seine Kampfposition durch einen Feuerüberfall massiv verbessert worden wäre. Anders sieht es in dem diesem Fehlurteil des BGH zugrunde liegenden Fall aus (ein Fehlurteil, für das der große fantastische Thomas Fischer, Bändiger aller finsteren Staatsmächte, maßgeblich verantwortlich ist):
http://www.welt.de/vermischtes/weltgesc ... -frei.html Wenn die vermeintlichen Killer noch nicht einmal geschafft haben, alle Scharniere der Tür aufzubrechen, verschlechtert ein Warnschuss selbstverständlich NICHT die Kampfposition des Verteidigers. Diese haltlose Behauptung des 2. Senats ist m. M. n. nur damit zu erklären, dass Herr Fischer dazu neigt, den Missbrauch staatlicher Machtbefugnisse abzustrafen - und zwar legal / illegal / sch ... egal.
Hier hatte der Einsatzleiter einen nachgerade idiotischen Zugriff zu verantworten, der zum Tod des Kollegen geführt hat. Dafür hat die Polizei von Mr. Fischer himself (gegen den Will Kane geradezu ein Zauderer ist) die "verdiente" Quittung erhalten.
Dieses Urteil steht dann auch noch in direktem zeitlichen Zusammenhang (zwei Jahre danach) mit der (ebenso unvertretbaren) gegenteiligen Rechtsprechung des 1. Senats auf Kosten tatsächlich Notwehr Übender:
http://www.heise.de/tp/artikel/31/31167/1.html Im Ergebnis muss jeder Mensch in Deutschland, der in eine Notwehrsituation gerät und zuvor die beiden (in den Massenmedien kolportierten) Urteile kennt, es für reine Glückssache halten, ob der BGHSt eine harte Notwehrmaßnahme als verhältnismäßig gelten lässt oder nicht.
Totale Rechtsunsicherheit auf einem praktisch sehr wichtigen Feld ist aber die denkbar schlechteste Leistung, die Bundesrichter erbringen können.
Ich für meinen Teil werde mich deshalb in diesem Leben an der in Fachkreisen üblichen Beweihräucherung von "Päpsten" der Marke Armin Nack (der Herrn Götzls Münchener Justizunfug in Sachen Notwehrrecht durchgewunken hat) und Thomas Fischer nicht mehr beteiligen.