Beitrag von Santo » Sa 1. Okt 2011, 16:45
Dieser Artikel wurde aus der Rubrik "Weitere aktuelle Beiträge" dem Gesundheitsforum zur weiteren Beobachtung der Problematik zugeordnet.
Ein Beispiel dafür wie ausgeartet die Verhältnisse in Deutschland mittlerweile sind, bietet die folgende Sachlage aus dem Gesundheitsbereich:
Mit § 20 SGB V (Sozialgesetzbuch Fünf), dem sogenannten "Präventionsparagraphen", haben die verantwortlichen Politiker den (gesetzlichen) Krankenkassen ein mutmaßlich unkontrolliertes, an Willkürpotential grenzendes Machtinstrument in die Hände gegeben, das jeder Beschreibung spottet. Dieses beinhaltet die Möglichkeit der Krankenkassenvertreter, willkürlich, ohne gesetzlich konkretisierte Vorgaben, darüber befinden zu dürfen wer mit welchen Qualifikationen die von den Kassen angebotenen Präventionskurse, beispielsweise in den Bereichen Yoga, Tai Chi Chuan, Qui Gong, etc., durchführen darf. Daran ist zunächst nichts Verwerfliches. Doch betrachtet man sich die Marktmachtposition der Kassen, so ergibt sich daraus ein einschneidender Eingriff in die Berufsauswahl- und -ausübungsfreiheit des Art. 12 GG (Grundgesetz), der so nie vorhanden sein dürfte.
Beginnen wir von vorn: Die Kassenvertreter haben sich aufgrund der Erlaubnis in der genannten Gesetzesvorschrift einen Präventionsleitfaden geschaffen, der nur für bestimmte Berufgruppen als sogenannte "Grundqualifikationen" zulässt, dass man mit diesen und mit einer zusätzlichen, weiteren Ausbildung einer ebenfalls von den Kassen vorgegebenen Länge in den genannten Präventionsfeldern, beispielsweise einer solchen als Yogalehrer, für die Kassen tätig werden darf. Konkret bedeutet das, dass zum Beispiel ein Arzt oder ein Physiotherapeut Yogalehrer für die Krankenkasse sein dürfte, ein früherer Jurist beispielsweise nicht, selbst wenn dieser eine mehrjährige(!) Ausbildung zum Yogalehrer gemacht hat. Das scheint zunächst einmal im Sinne der Kassenpatienten. Doch nur auf den ersten Blick. Wovon reden wir hier: Vom Präventions- also Vorbeugungs-, nicht vom Heilungsbereich, bei dem es darum ginge Krankheiten zu heilen. Hier geht es lediglich darum bei Gesunden eine Vorbeugung vor eventuell einmal eintretenden Problemen zu schaffen. Nach allgemeingesetzlichen Vorschriften darf das grundsätzlich jeder mit entsprechenden Kenntnissen, jedenfalls ohne dafür einer heilkundlichen Erlaubnis zu bedürfen, die erst bei Absicht und Durchführung einer heilenden Tätigkeit erforderlich würde. Schon an dieser Stelle schießen die Kassenvertreter also deutlich über das Ziel hinaus. Aber es kommt noch viel schlimmer, (oder unverschämter?).
Der Präventionsleitfaden ist an einigen Stellen schlicht lebensfremd und unrealistisch, so dass man daraus folgern könnte, dass sich mit dessen Erstellen vorwiegend Theoretiker beschäftigt haben dürften. Wieviele Ärzte kennen Sie, werte Leser, die eine zusätzliche Ausbildung als Yogalehrer gemacht haben und diesen Beruf ebenfalls ausüben? Wieviele Physiotherapeuten kennen Sie in dieser Hinsicht? Zugegeben, bei Letzteren gibt es schon einige. Diese leiden jedoch unter dem Makel, dass sich die beiden Berufe an entscheidenden Stellen sogar widersprechen und grds. nicht miteinander vereinbar sind. Während ein echter Yogalehrer einem Klienten keine Schmerzen zufügen darf, muss ein Physiotherapeut das unter Umständen bei Patienten tun, weil es sich aufgrund einer Behandlungsform nicht vermeiden lässt... (Was auch auf Ärzte zutrifft.)
Und selbst wenn ein Arzt, Physiotherapeut oder sonst ein von der Kasse zugelassener Berufsvetreter gleichzeitig Yogalehrer sein will, geht das immer auf Kosten der Qualität mindestens einer der beiden Tätigkeiten. Die Tätigkeit eines Yogalehrers ist verantwortungsvoll ausgeübt mindestens so zeitintensiv, wie die eines Physiotherapeuten oder Mediziners. Schlicht inakzeptabel ist in diesem Zusammenhang die Tätigkeit eines Hobby-Yogalehrers so nebenbei, welche selbst Mindestanforderungen nicht genügen würde. Beides, beispielsweise Arzt und Yogalehrer, nebeneinander auszuführen ginge aus fachlicher Sicht also ohnehin nicht qualitativ hochwertig. Da müsste man sich schon für eine entscheiden...
Die von den Kassenvertretern erarbeiteten engen Zulassungsvorausetzungen führen nun zu einem bereits angedeuteten grundgesetzlichen Problem. Verständlicherweise möchte heute jeder Kassenpatient wenigstens einen Teil seiner Kosten von den Kassen ersetzt bekommen, auch im Präventionsbereich. Das hat dazu geführt, dass freiberufliche, von den Kassen nicht anerkannte Yogalehrer kaum noch eigene Kunden bekommen, da letztere die Kosten selbst tragen müssten. Weiterhin hat diese Entwicklung als Ergebnis, dass solche Yogalehrer trotz guter Ausbildung und reichlich Erfahrung weder in Fitnessstudios, noch in Volkshochschulen oder ähnlichen Institutionen tätig werden können, da in diesen aus vorgenannten Gründen auch nur noch Yogalehrer mit Kassenzulassung Aufträge bekommen... Perfider Weise hat man den Yogalehrern und anderen das Leben noch weiter dadurch erschwert, dass es gar keine allgemeine Kassenzulassung gibt, sondern sich diese grds. bei jeder einzelnen der über dreihundert Krankenkassen in Deutschland um eine Zulassung bemühen müssten. (Das habe ich vom Gesamtverband der gesetzlichen Krankenkassen GKV schriftlich.) Nach alledem wird einem die Berufsausübung als gut ausgebíldeter Yogalehrer somit ohne zwingendes Erfordernis unmöglich gemacht. Das führt zu der begründeten Annahme, dass die unbegrenzte Machtbefugnis, die den Kassenvertretern mit § 20 SGB V an die Hand gegeben wurde grundgesetzwidrig sein und gegen die Freiheitsrechte des Art. 12 GG, Berufswahl- und -ausübungsfreiheit, verstoßen könnte. Einen Beruf zu wählen, den man letztlich nicht in angemessener Weise ausüben kann macht keinen Sinn, so dass beide Varianten des Schutzbereichs von Art. 12 betroffen sind.
Die Krankenkassenvertreter, unter anscheinender Vorreiterrolle der AOK (zumindest im hiesigen geographischen Bereich), nach deren Vorgehen sich andere richten, haben mit den genannten Maßgaben eine perfide Methodik angestrengt, die allein aufgrund der Machtposition der Kassen, nicht aufgrund deren angebotener Qualität, sogar gut ausgebildete, sehr erfahrene, seriös und hart arbeitende Menschen schlicht ihrer wirtschaftlichen Existenz beraubt, ohne dass dafür ein akzeptabler Grund vorläge, da diese in keinster Weise irgendein Risiko für die Volksgesundheit darstellen. Hier existiert kein fairer Wettbewerb mehr, sondern es handelt sich um ein perfide Verdrängungsmethode der Existenzvernichtung.
Ein konkretes Beispiel:
Ein Yogalehrer mit zweijähriger Ausbildung zum Yogalehrer (die, je nach Kassenvorgabe mindestens 123, bis zu 223 Ausbildungeinheiten mehr beinhaltet als von den Kassen für eine solche Ausbildung gefordert), mit mehr als 30 Jahren privater Erfahrung in unterschiedlichsten Arten der Körper- und Geistesschulung und mittlerweile fast 10 Jahren praktischer Berufserfahrung im Bereich Yoga wird von den Kassenvertretern nicht akzeptiert, nur weil er einen von diesen geforderten Beruf nicht vorher erlernt hat. Das ist schlicht inakzeptabel und belegt, dass es den Kassenvertretern nicht um die zu schützenden Menschen gehen kann, sondern um die eigene Machtausübung.
Trotz der selbsternannten Voraussetzungen der Kassenvertreter ist eindringlich darauf hinzuweisen, dass eine Kassenzulassung keinerlei Qualitätskriterium für einen Yogalehrer oder einen der anderen genannten Berufe für Präventionskurse darstellt, da von den Kassenvertretern lediglich auf Formalismen abgestellt wird und die tatsächlichen Fähigkeiten des Betreffenden, welcher zugelassen werden möchte, wie erschreckender Weise auch in vielen anderen Lebensbereichen, erfahrungsgemäß gar nicht überprüft werden. Das hat zum Ergebnis, dass im Gegenteil zu dem was man nach den Kassenwünschen oberflächlich annehmen könnte, viele von den Kassen zugelassene Yogalehrer erheblich schlechtere Qualität abliefern, als manche ihrer nicht zugelassenen Kolleginnen und Kollegen. Schon des öfteren sind Yogaschüler zu mir gekommen und haben sich über beispielsweise rüde Methoden und andere signifikante Qualitätsmängel zugelassener Yogalehrer beschwert.
Will man echte Qualität, muss man sich schon die Mühe machen und sich gründlich umschauen und prüfen und nicht einfach darauf vertrauen, was irgendwelche Krankenkassenvertreter erzählen oder in ihren bunten Prospekten anbieten...
Auffällig ist darüber hinaus, dass immer noch Yogalehrer von unterschiedlichsten Organisationen zu tausenden ausgebildet werden, ohne dass man feststellen könnte, dass man diese Menschen in ausreichender Weise auf die mangelnden wirtschaftlichen Aussichten einer solchen Ausbildung ohne die von den Krankenkassen bislang geforderten "Grundberufe" aufmerksam machen würde. Aus yogischer Sicht ist das ebenfalls inakzeptabel, weil unehrlich...