(...)
Anders: Die Staatsanwaltschaft Hannover hat Anklage gegen den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff erhoben. Ein historisches Ereignis, da sind sich die Medien sicher:
Es ist das erste Mal, dass sich in Deutschland ein früheres Staatsoberhaupt vor Gericht verantworten soll.
So steht es bei "Spiegel Online", der Deutschen Welle, der "Welt", beim Deutschlandradio Wissen und an vielen weiteren Stellen.
(...)
Vor diesem Hintergrund ist der Fall Christian Wulff dann nicht mehr "das erste Mal, dass sich in Deutschland ein früheres Staatsoberhaupt vor Gericht verantworten soll", denn da gab es:
- Karl Dönitz war kurzzeitig Nachfolger Adolf Hitlers als Reichspräsident 1945. Er wurde im Nürnberger Prozess angeklagt und wegen "Verbrechen gegen den Frieden" und wegen Kriegsverbrechen zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt.
- Willi Stoph war von 1973 Vorsitzender des Staatsrates und somit Staatsoberhaupt der DDR, davor und danach Vorsitzender des Ministerrates. Gegen Stoph wurde im November 1992 der Prozess wegen der Toten an der innerdeutschen Grenze eröffnet, im darauffolgenden Jahr wurde das Verfahren eingestellt, weil Stoph dauerhaft verhandlungsunfähig war.
- Erich Honecker war Stophs Nachfolger als Staatsratsvorsitzender und somit von 1976 bis 1989 Staatsoberhaupt der DDR. Er wurde gemeinsam mit Stoph und anderen angeklagt, aber auch dieses Verfahren wurde 1993 eingestellt, weil Honecker ebenfalls verhandlungsunfähig war und ein Jahr später starb.
- Egon Krenz war 1989 für nur sechs Wochen Staatsratsvorsitzender. Krenz wurde 1993 wegen "Totschlags und Mitverantwortung für das Grenzregime der DDR" angeklagt und 1997 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt, die er nach letztlich erfolglosen Beschwerden zwischen 2000 und 2003 teilweise absaß.
- Manfred Gerlach war schließlich der letzte Staatsratsvorsitzende der DDR. Auch Gerlach musste sich vor Gericht verantworten, aber auch er war verhandlungsunfähig.
(...)
http://www.bildblog.de/48359/der-erste-mann-im-staate/