KACHELMANN
Vom Rechtsstaat und der Brücke in die GesellschaftVON DANIEL MARTIENSSEN16. OKTOBER 2012
Das Buch „Recht und Gerechtigkeit – Ein Märchen aus der Provinz“ von Jörg und Miriam Kachelmann ist kaum lesbar: Viele Plattitüden und ein schlechter Schreibstil. Die notwendige Debatte um das Verhältnis von Rechtsstaat und Gesellschaft droht zu zerfasern.
wie selbstverständlich die Unschuldsvermutung als alternatives Unwort des Jahres erwogen und sich auf den aus ihrer Sicht unangemessenen Ausgang des Kachelmannprozesses berufen. Alice Schwarzer selbst durfte an prominenter Stelle in der Bild-Zeitung abenteuerliche Einlassungen wider rechtsstaatlichen Grundsätzen platzieren.
Wenn sie von der Unschuldsvermutung der Nebenklägerin im Kachelmann-Prozess parlierte, zeigt das auf, dass sie schon grundlegende Prinzipien des Rechtsstaat mindestens nicht erfasst oder in verwerflicher Weise ignoriert hat. Der Nebenklägerin drohte nämlich in diesem Verfahren keine Strafe. Sie war keine Angeklagte. Erst wenn ihr wegen falscher Verdächtigung und uneidlicher Falschaussage der Prozess gemacht worden wäre, hätte auch ihr selbstverständlich die Unschuldsvermutung zugestanden.
Nun zieht Jörg Kachelmann durch die Medien, prangert den Strafvollzug, die Gerichte und den Rechtsstaat im Allgemeinen an. Zwar muss man ihm zugestehen, dass er die Debatte um den Rechtsstaat und die Rezeption in der Gesellschaft auf die Tagesordnung setzt, sein Werk allerdings hat zu diesem Diskurs kaum Substanzielles beizutragen. Es ist durchzogen vom Gift einer verzerrten Subjektivität. Das ist nach dem ihm Widerfahrenen auch nachvollziehbar. Der große Wortführer in einer solchen Debatte kann er dennoch nicht sein. Denn aus subjektiv Erfahrenem nur allzu leicht allgemeine Prinzipien abzuleiten, eignet sich nicht, um dem Thema mit gebotener Distanz zu begegnen. Darüber hinaus droht diese notwendige Diskussion in einem Medien-Hype um die Person Kachelmann zu zerfasern – wieder einmal.
Plastisch zu beobachten war dies am vergangen Sonntag in der Polit-Talkshow Günther Jauch. Mit Winfried Hassemer saß sogar ein ehemaliger Bundesverfassungsrichter, seiner Zeit sogar Vizepräsident des Gerichts, in der Talkrunde. Man konnte sich eigentlich Hoffnungen machen, dass er der ganzen Diskussion einen Rahmen gibt, den Rechtsstaat erklärt und einordnet. Seine Aussagen blieben allerdings weit unter seinen Möglichkeiten. Vielmehr schaltete er aufgrund des überzogenen Angriffs der Eheleute Kachelmann auf die Justiz in einen dumpfen Verteidigermodus und nahm das Landgericht Mannheim undifferenziert in Schutz. Mit dem Medienmanager und ehemaligen Bild-Chefredakteur Hans-Hermann Tiedje saß gewissermaßen die fleischgewordene Mistgabel in der Diskussionsrunde, der sich nicht zu schade war, darauf hinzuweisen, dass Kachelmann wider aller rechtsstaatlicher Prinzipien durchaus ein Vergewaltiger gewesen sein kann. Stärker als Tiedje kann man dem diffusen Rechtsgefühl der Gesellschaft nicht den Weg bahnen.
Wenn eine Debatte jenseits des Medien-Hypes um den Fall Kachelmann geführt werden soll, müssen sich vor allem die Entscheidungsträger aus Politik und Justiz in die Verantwortung nehmen lassen, den Bürgern den Rechtsstaat auf einfache Weise verständlich zu machen. Auch die Medien sind zur Aufklärung verpflichtet. Dafür ist natürlich notwendige Grundvoraussetzung, dass sie selbst hinter den Prinzipien des Rechtsstaats stehen und der Versuchung widerstehen, sich allzu schnell einer gefühlten Volksstimmung anzubiedern.http://www.cicero.de/berliner-republik/ ... 22?seite=3
Und genau das stört mich!
Selbstverständlich droht der betroffenen Nebenklägerin eine Strafe, wenn ein "in dubio pro reo" Freispruch umgekehrt in einen Schuldspruch interpretiert wird, der zu ungeahndete Konsequenzen, wie Verleumdung und Diffamierungen, einlädt.
Genau hier liegt der Konfliktpunkt.Das Problem lässt sich also
nur über eine beiderseitige Unschuldsvermutung lösen.
Die Gründe, WARUM es auch Menschen gibt, die dem entgegensteuern, sollten doch eigentlich ganz klar sein.
Sind sie aber nicht, erst recht nicht losgelöst von diesem Fall.
So offensichtlich, wie in diesem Fall werden wir sie kaum mehr demonstriert bekommen.
Und gerade, weil dieser "Prozess nach dem Prozess" so ekelerregend & geschmacklos ist, MUSS GENAU DA etwas passieren, sonst ist es der Rechtsstaat, der einer Lynch- und Selbstjustiz, Türe & Tore öffnet.