Kachelmann hat sich keine Freunde gemacht
Von Alexander Albrecht
Mannheim. Am Montag holte Jörg Kachelmann zum Gegenschlag aus: Im "Spiegel" erschien ein Interview mit ihm und seiner Frau Miriam, einer 26-jährigen Psychologiestudentin. Und am gleichen Tag warf der Heyne-Verlag überraschend das 384-Seiten Werk des Paares mit dem Titel "Recht und Gerechtigkeit" auf den Markt.
Interview und Buch sind Dokumente der Wut. Wut auf die "gewohnheitsmäßig männerverurteilende Justiz", die Polizei, Staatsanwälte und das Mannheimer "Strafgericht". Wut auf Boulevardmedien, rachsüchtige Frauen und die "Opferindustrie". Sollte Jörg Kachelmann - er saß 132 Tage in Untersuchungshaft und wurde im Mai 2011 aus Mangel an Beweisen freigesprochen - zu Unrecht von seiner früheren geliebten Claudia D. der Vergewaltigung beschuldigt worden sein, kann man den Zorn des 54-Jährigen verstehen.
Doch der Schweizer will mehr. Es geht ihm ums große Ganze. Darum, "dass Deutschland wieder gewissenhaft als Rechtsstaat bezeichnet werden kann". Dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit wird er nach Meinung von Christian Pfeiffer, einem der führenden deutschen Kriminologen, kaum gerecht.
"Sämtliche Aussagen, die Kachelmann von sich gibt, haben nur wenig Substanz. Sie dienen primär dazu, sein Buch zu verkaufen", sagt der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) der RNZ.
Kachelmann ist der Meinung, Frauen seien immer Opfer, selbst dann, wenn sie Täterinnen sind.
"Das ist eine unangemessene Pauschalisierung", erklärt Pfeiffer. In den meisten Vergewaltigungsfällen stehe Aussage gegen Aussage, so dass die Frage nach der Schuld offen bleibe. Für eine "extreme Übertreibung" hält Pfeiffer auch den Kachelmann-Satz: "Im Bereich Missbrauch und Vergewaltigung sind Falschbeschuldigungen ein Massenphänomen geworden." Eine aktuelle und repräsentative KFN-Befragung von rund 5700 Frauen komme zu einem ganz anderen Ergebnis. "Nur knapp jede fünfte vergewaltigte Frau traut sich danach überhaupt, eine Anzeige zu erstatten", sagt Pfeiffer.
Kachelmann kritisiert auch den Weißen Ring als "Schutzorganisation krimineller Falschbeschuldigerinnen". Womöglich vor dem Hintergrund, dass sich Claudia D.'s früherer Anwalt Thomas Franz aus Ketsch in dem Opferhilfeverein engagiert.
"Herr Kachelmann sollte sich informieren, bevor er den Mund aufreißt. Jedem mutmaßlichen Vergewaltigungsopfer steht ein kostenloser Beistand zu. Dass Thomas Franz bei uns mitwirkt und die Frau vertrat, ist Zufall", sagt ein Sprecher des Weißen Rings der RNZ. Nicht gut auf Kachelmann zu sprechen ist auch die Polizei.
Der Schweizer spottet in seinem Buch unter anderem: "Gnade Ihnen Gott, wenn die Schwetzinger Kripo ihre Ermittlungen aufnimmt." Eine solche Formulierung stehe für sich, sagt der Heidelberger Polizeisprecher Harald Kurzer. "Eine Stellungnahme hierzu verbietet sich geradezu."
Das Landgericht Mannheim will sich nicht äußern, hat aber gehandelt und auf Betreiben der Anwälte von Claudia D. per einstweiliger Verfügung die weitere Verbreitung des Buches untersagt - solange die Ex-Geliebte darin mit vollem Namen genannt wird. Der Schwetzinger Rechtsanwalt Manfred Zipper will gegen weitere Passagen des Buchs vorzugehen. "Das war erst der erste Pfeil aus dem Köcher."
Kachelmanns "Abrechnung" ist auch Andrea Combé gewidmet, seiner Strafverteidigerin aus Heidelberg. Sie habe bei ihrem Plädoyer in Mannheim gezeigt, "dass sie eine ganz Große ist"
************************************
Kachelmann-Zitate
"Zumindest in Mannheim, möglicherweise auch in Baden-Württemberg, ist der Justizwahnsinn systembedingt. Ich werde dieses Bundesland in diesem Leben jedenfalls nur noch sparsam betreten. Allein schon der Gedanke, dass man der geballten Kriminalerkraft der Außenstelle Schwetzingen zum Opfer fallen könnte, muss eine großräumige Umfahrung der Kurpfalz zur Folge haben, wo die nicht nur nach meiner Ansicht unbedingt zu meidende Polizeidirektion Heidelberg zuständig ist."
(Kachelmann in seinem Buch "Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus seiner Provinz)
"Die Population von Kakerlaken in der JVA (Justizvollzugsanstalt, Anm. d. Red.) Mannheim reicht aus, um in längstens 80 Tagen die ganze Welt entomologisch wiederzubevölkern, falls irgendwo ein Vulkan ausbricht oder ein Komet einschlägt."
(Kachelmann in seinem Buch. Die JVA weist die Vorwürfe zurück)
"Der ,Weiße Ring' verfolgt sicher auch sehr verdienstvolle Aufgaben, ist mir aber besonders als Schutzorganisation krimineller Falschbeschuldigerinnen aufgefallen."
(Kachelmann in seinem Buch)
"Das ist das Opfer-Abo, das Frauen haben. Frauen sind immer Opfer, selbst wenn sie Täterinnen wurden."
(Kachelmann im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel")
"Ich dachte: Es kann passieren, was will, die wollen mich verknacken."
(Kachelmann im "Spiegel" über die Mannheimer Justiz)
"Im Bereich Missbrauch und Vergewaltigung sind Falschbeschuldigungen ein Massenphänomen geworden."
(Kachelmann im "Spiegel")
"Gott sei Dank war Frau D. nicht die hellste Kerze auf der Torte."
(Co-Autorin Miriam Kachelmann im "Spiegel über die Ex-Geliebte ihres Mannes, die den Prozess ins Rollen brachte)
http://www.rnz.de/Metropolregion_Topmel ... macht_.php