Versagen freie Foren?

Wie ist es um die Meinungsfreiheit in Deutschland bestellt? Gibt es eine bedenkliche Konzentration von Medienmacht?

Re: Versagen freie Foren?

Beitragvon AlexRE » Mo 8. Okt 2012, 18:31

Jetzt haben sie meinen zweiten Beitrag doch noch freigeschaltet ...

Über meinem Beitrag hat jemand ein sehr interessantes Zitat gepostet:

"... Schließlich gibt es interessante Forschungen darüber, warum Menschen sich von Opfern abgrenzen, ihnen die Glaubwürdigkeit absprechen oder ihnen erhebliche Mitschuld an einer Tat unterstellen (Just World Theory, Defensive Attribution Theory). Gegen die solchem opferbeschuldigenden Verhalten zugrunde liegenden Wünsche, dass in der Welt kein unbegreifliches Unrecht geschehen möge – weshalb das Opfer einfach irgendetwas falsch gemacht haben muss – und dass die eigene Person nicht in Gefahr sein möge – weshalb eine starke und abwertende Abgrenzung vom Opfer stattfindet – sind auch Richterinnen und Richter nicht gefeit."

http://missy-magazine.de/2011/09/23/der ... er-gewalt/


http://forum.spiegel.de/f22/joerg-kache ... st11104402

Ich habe mich oft gefragt, wieso Gewaltopfer auch noch die Aggressionen unbeteiligter Dritter auf sich ziehen. Offenbar gibt es wissenschaftliche Untersuchungen dazu.
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Ich trete überall, wo das notwendig ist, der Meinung entgegen, der Umstand, dass die Diktatur zu allem fähig war, berechtige dazu, die Demokratie zu allem unfähig zu machen.
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Re: Versagen freie Foren?

Beitragvon AlexRE » Mo 8. Okt 2012, 18:51

Die haben sich aus rechtlichen Gründen nicht getraut, meinen Beitrag zu veröffentlichen. :mrgreen:

Den Link hierher haben sie freigeschaltet:

GG146 hat geschrieben:Vielleicht ist es ja hilfreich, wenn der vorbezeichnete Kachelmann - kritische Beitrag hier nur verlinkt ist und dem hiesigen Forenbetreiber rechtlich nicht zugeordnet werden kann:

Grundgesetz-Aktivierer • Thema anzeigen - Versagen freie Foren?
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Re: Versagen freie Foren?

Beitragvon DieLara » Mo 8. Okt 2012, 20:17

AlexRE hat geschrieben:Die haben sich aus rechtlichen Gründen nicht getraut, meinen Beitrag zu veröffentlichen. :mrgreen:

Den Link hierher haben sie freigeschaltet:


GG146 hat geschrieben:Vielleicht ist es ja hilfreich, wenn der vorbezeichnete Kachelmann - kritische Beitrag hier nur verlinkt ist und dem hiesigen Forenbetreiber rechtlich nicht zugeordnet werden kann:

Grundgesetz-Aktivierer • Thema anzeigen - Versagen freie Foren?


Gut zu wissen, Alex! :lol:

Hätte ich das eher gewusst, wäre mein einziger Satz vielleicht auch veröffentlicht worden? :lol:

Wenn Spiegel-on es sich leisten kann, kritische Beiträge nicht zu veröffentlichen, braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn man dies öffentlich bekannt macht. Schließlich ist es auch nicht zum ersten Mal vorgekommen (bei mir). Das war jetzt das vierte oder fünfte Mal... und immer ging es um den Fall K. . Und ich bin nun wirklich kein Krawall-Mädel. :lol:
Offensichtlich will man Einfluss auf die Meinungsfreiheit nehmen. Die Frage, die sich automatisch stellt: WARUM werden K.-kritische Beiträge nicht veröffentlicht, wenn sie weder gegen Anstand noch gegen gute Sitten verstoßen, geschweige denn juristisch angreifbar?

Spiegel-on stellt sich ein Armutszeugnis aus und demokratisch nenne ich das erst recht nicht.

Aber mal sehen. Antesten werde ich es immer wieder. Ich geb ja nicht auf. ;)

Und dann werde ich (vorsichtshalber) von jedem Beitrag einen Screen machen. So kann sich jeder ein eigenes Bild verschaffen und selbst beurteilen, ob das Geschriebene etwas enthält, was Spiegel-on beanstanden könnte.

Im Moment jedenfalls scheint die Auswahl immer noch mehr als pro-K.-lastig zu sein. Und wenn man mir gegenüber behaupten würde, aus rechtlichen Gründen hätte man meinen Beitrag nicht veröffentlichen können, würde ich laut loslachen.
Noch so ein Märchen aus tausend und einer Nacht!? :mrgreen:
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Re: Versagen freie Foren?

Beitragvon DieLara » Mo 8. Okt 2012, 21:03

Nein, kauf ich niciht
und ich hoffe sehr, dass mich alle Freunde und Bekannte so gut kennen dass sie wissen, dass ich dieses Buch auch nicht geschenkt bekommen möchte.


http://unterhaltung.t-online.de/joerg-k ... index?news

Ups...

Ach wo, alle in meiner Umgebung wissen, dass ich keine Märchen mag. Diese Geschenk-Gefahr ist also schon gebannt. :mrgreen:
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Re: Versagen freie Foren?

Beitragvon AlexRE » Mo 8. Okt 2012, 21:52

DieLara hat geschrieben:Die Frage, die sich automatisch stellt: WARUM werden K.-kritische Beiträge nicht veröffentlicht, wenn sie weder gegen Anstand noch gegen gute Sitten verstoßen, geschweige denn juristisch angreifbar?

Spiegel-on stellt sich ein Armutszeugnis aus und demokratisch nenne ich das erst recht nicht.

Aber mal sehen. Antesten werde ich es immer wieder. Ich geb ja nicht auf. ;)


Man kann aber auch fragen, warum sie den Link zu dem Beitrag, nicht aber den Beitrag selbst veröffentlichen. Dafür gibt es eigentlich nur die Erklärung, dass der Moderator Ärger vermeiden wollte. Ein Abzielen auf Meinungsmanipulation ist mit der Veröffentlichung des Links kaum zu vereinbaren.
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Re: Versagen freie Foren?

Beitragvon Ali » Mo 8. Okt 2012, 22:03

Kachelmann versus „Opferindustrie“
Eine Verhöhnung von Rechtsstaat & Opfern

Man sollte eigentlich meinen, dass jemand, der einer Vergewaltigung mit vorgehaltenem Messer angeklagt ist und nach acht quälenden Monaten zwar freigesprochen wird – aber nicht etwa wegen „erwiesener Unschuld“, sondern wegen des Grundsatzes: „Im Zweifel für den Angeklagten“ -, dass so einer Grund hat zum Schweigen. Vor allem, wenn die Zweifel an der Unschuld des Angeklagten so groß sein durften wie im Fall Kachelmann, und wo die Richter noch in der Urteilsbegründung explizit betonten, der Verdacht, dass Kachelmann seine Ex-Freundin vergewaltigt habe, habe sich „nicht verflüchtigt“. Jedoch gäbe es gleichzeitig „Zweifel an seiner Schuld“. Also ein Freispruch dritter Klasse. Aber nein, zwei Jahre nach Beginn dieses Prozesses legt Kachelmann wieder los.

Sein seit fast einem Jahr immer wieder verschobenes Buch erscheint nun als Gemeinschaftswerk des Ehepaares Kachelmann. Und der Spiegel begleitet das Event angemessen mit einem Interview. Für all die, die mit mutmaßlichen bzw. realen Opfern sexueller Gewalt zu tun haben, und es während des exemplarischen Kachelmann-Prozesses nicht begriffen hatten, wäre es jetzt höchste Zeit.

Die neue Ehefrau und Co-Autorin von Kachelmann greift nicht nur werbewirksam Alice Schwarzer an – die „von Anfang an Partei und Propagandamaschine“ gewesen sein soll – sondern alle Opferorganisationen. Miriam Kachelmann: „Dabei wusste sie (Schwarzer) sich von Opferverbänden flankiert, die mit einem Heer von Helfern antraten. (…) Es gibt eine Opferindustrie, die in dieser kranken Form jetzt endlich weg muss.“

Alice Schwarzer möchte sich nicht auf die Ebene einer so billigen Polemik begeben. Sie analysiert stattdessen die grundsätzlichen Mechanismen solcher Sensationsprozesse sowie die Rolle der Medien: Kachelmann: Propaganda & Recht.
EMMAonline, 8.10.2012
http://www.emma.de/news-artikel-seiten/ ... industrie/


Kachelmann: Propaganda & Recht

Für die wissenschaftliche Publikation "Litigation-PR: Alles was Recht ist" hat Alice Schwarzer das Vorwort geschrieben. Sie warnt: Der Rechtsstaat ist in Gefahr.

Sie alle werden den Kachelmann-Prozess verfolgt haben. Sie alle werden eine Meinung zu dem Fall haben. Und Sie (fast) alle werden überzeugt sein, ich hätte geschrieben, der Angeklagte sei schuldig und seine Ex-Freundin sage nichts als die Wahrheit. Was falsch ist. Sie (fast) alle haben sich täuschen lassen. Auch Sie sind ein Opfer dessen, was wir hier Litigation-PR nennen.

Auf den tatsächlichen – überprüfbaren – Sachverhalt werde ich noch zurückkommen. Lassen Sie mich vorab darlegen, warum mir das Thema Litigation-PR gerade heute so wichtig scheint, dass ich ein Vorwort zu diesem Band schreibe: Weil der Versuch der direkten Beeinflussung der öffentlichen Meinung in Bezug auf einen Prozess und seine ProtagonistInnen – und damit die indirekte Beeinflussung des Gerichts – inzwischen Dimensionen erreicht hat, die den Rechtsstaat gefährden. Die Klassenjustiz ist wieder eingeführt. Denn Litigation-PR ist eine Frage des Geldes. Dafür ist der Kachelmann-Prozess ein exemplarisches Beispiel.

Wie viele meiner KollegInnen war auch ich in meinem langen Berufsleben immer wieder mal als Gerichtsreporterin tätig, schon zu Beginn bei der Tageszeitung ging es dabei ebenso um den in der Regel „jugendlichen Autoknacker“ wie um den in der Regel „armen Frauenmörder“. Das ist Gerichtsalltag. In spektakulären Prozessen wie dem Fall Kachelmann aber geht es nicht nur um die Schuldfrage eines Einzelnen, sondern werden weit darüber hinaus gesellschaftlich akute Fragen exemplarisch verhandelt.

So schon 1961 apropos des Prozesses gegen Vera Brühne. Sie sollte aus Habgier einen Liebhaber umgebracht haben. Doch bereits als das „Lebenslänglich“ gesprochen wurde, vermuteten viele, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein Fehlurteil handele. Dahinter verbargen sich massive andere Interessen (Waffenhandel?) sowie das ideologische Klima der bigotten Nachkriegszeit, in der die leichtlebige Brühne als „Flittchen“ galt, über das sich schein-biedere Hausfrauen und Ehemänner ostentativ empören konnten.

Oder der Prozess gegen den beliebten Ex-Boxweltmeister Bubi Scholz im Jahr 1984. Er hatte seine Frau, die sich aus Angst in der Toilette eingeschlossen hatte, durch die Türe mit einem Luftgewehr erschossen. Scholz stand für den verunsicherten Mann mit der zu emanzipierten Frau. Während das einstige Männer-Idol arbeitslos war, führte seine Frau eine erfolgreiche Parfümerie auf dem Ku’damm. Die Tat „glich einem Selbstmordversuch, so abhängig, wie Gustav Scholz von seiner Frau war“, schrieb damals Gerhard Mauz im Spiegel. Die Richter hatten ein Einsehen: drei Jahre, davon ein Jahr auf Bewährung. „Unser Bubi bald frei“, jubelte Bild. Erste Pointe: Seine „Neue“, die er zu dem Zeitpunkt seit fünf Jahren kannte, holte ihn nach zwei Jahren am Gefängnistor ab. Zweite Pointe: Der ja nicht wegen Mordes verurteilte Bubi Scholz kassierte auch noch die Lebensversicherung über 650.000 DM seiner von ihm getöteten Frau. Zu der Zeit ist die „Verletzung der Männerehre“ tatsächlich noch eine strafmildernde Kategorie im deutschen Strafrecht und eine selbstverständliche Floskel in der Urteilsbegründung.

Oder auch die drei Prozesse im Fall Weimar in den Jahren 1986 bis 1999. „Mutter Weimar“ stand für die „Rabenmutter“. Auch hier ein schwacher Mann und seine berufstätige Frau, die zu allem Überfluss auch noch einen jüngeren Liebhaber hatte. Auch Monika Weimar wird, fast wortgleich, als „ihm überlegen“, „kalt“ und „schmallippig“ beschrieben. Die Mutter wurde für den Tod ihrer beiden Töchter einmal schuldig, einmal frei und ein drittes Mal wieder schuldig gesprochen. Die Berichterstattung von Gerhard Mauz im Spiegel und seiner späteren Nachfolgerin Gisela Friedrichsen in der FAZ war nach Meinung vieler Beobachter entscheidend für den letzten Schuldspruch. Für sie war Monika Weimar eindeutig die Täterin. Doch die Doyenne der deutschen Rechtspsychologie, Prof. Elisabeth Müller-Luckmann, Gutachterin im Weimar-Prozess, war noch 2009 im Gespräch mit EMMA davon überzeugt, dass die Mutter unschuldig und der Vater der Täter gewesen sei. Doch der war nie auch nur vernommen worden.

Will sagen: Recht wird nicht im emotions- bzw. interessenfreien Raum gesprochen. Und Richter sind a) auch nur Menschen und b) beeinflussbar. Von den zahllosen Prozessen gar nicht zu reden, in denen muslimische Frauen- und Töchtermörder in den 1980er und 1990er Jahren freigesprochen oder zu verständnisvollen Mindeststrafen verurteilt wurden – wegen der „anderen Sitten“ und weil auch ihre Opfer gegen die Ehre, in dem Fall gegen die „Familienehre“ verstoßen hatten. Das änderte sich erst nach 9/11 allmählich.

Ich könnte diese Liste endlos fortsetzen, doch die wenigen Beispiele sollen genügen, um in Erinnerung zu rufen: Stimmung ist immer gemacht worden. Und selbst unumstößliche Fakten können so oder so interpretiert, können als „Mord“ oder „Totschlag“ klassifiziert werden – was entscheidend ist für das Strafmaß. Richter haben einen dem Laien weitgehend unbekannten, gewaltigen Ermessens-Spielraum beim Strafmaß.

Und genau da setzt die Litigation-PR an. Mit der Diskreditierung mutmaßlicher Opfer und Reinwaschung der Angeklagten – bzw. mindestens dem Säen von Zweifeln, was im Rechtsstaat bekanntlich zum Freispruch führt. In mehreren der folgenden Beiträge wird mit gutem Grund auch auf Zivil- und Wirtschaftsprozesse eingegangen. Ich möchte mich hier jedoch auf Strafprozesse beschränken, genauer: auf Morde und sexuelle Gewalt.
Die heute übliche Psychologisierung des Täters geht leider immer auf Kosten der Opfer. Aufgekommen ist sie in den 1960er Jahren, genau gesagt 1967 ab dem Prozess gegen den Jungen-Mörder Jürgen Bartsch. Die Vorgehensweise, nach den Prägungen des Täters zu fragen, war damals durchaus ein Fortschritt. Denn sie löste die Kopf-Ab-Mentalität der Nach-Nazizeit ab und machte klar: Auch Mörder sind Menschen. Inzwischen aber ist das Verständnis für die Täter längst in eine Ignoranz der Opfer gekippt. Es ist zur Waffe gegen Opfer geworden und zum Freifahrtschein für Täter. Die Argumentation ist dabei eine fast immer gleiche: schwere Kindheit, kaltherzige Mutter etc. Von den oft auch gewalttätigen Vätern der Täter ist übrigens selten die Rede.

Der 2003 verstorbene Gerichtsberichterstatter Gerhard Mauz war in der Pro-Täter-Berichterstattung über Jahrzehnte führend. Seine Nachfolgerin beim Spiegel, Gisela Friedrichsen, setzte die Tradition ungebrochen fort. Obwohl in Fachkreisen das Unbehagen über diese Art von einseitiger Berichterstattung schon lange groß ist. So hieß es in der Neuen Juristischen Wochenschrift über die studierte Germanistin bereits 2005: „Schulmeisterlich verteilt sie Zeugnisse, bewertet, lobt, verdammt, auf der Grundlage ihrer subjektiven Maßstäbe. Dabei ergreift sie nicht nur Partei für eine Seite, sondern berichtet einseitig, gibt den Argumenten der angegriffenen Seiten meist keinen Raum.“

Schon lange scheinen viele Richter so verunsichert in unserer Mediengesellschaft, dass sie in heiklen Fällen die Verantwortung mehr und mehr an die Gutachter abschieben. Auf deren – keineswegs rein objektiven, sondern zwangsläufig ebenfalls subjektiven und manchmal sogar interessengeleiteten – Vorhaltungen basieren sie ihre Urteile. Der Bundesgerichtshof fördert diese Entmündigung der Richter auch noch. Die Nichthinzuziehung eines „Sachverständigen“ – der oft kaum sachverständiger ist als ein Richter – kann dem Gericht beim Berufungsverfahren als Fehler angelastet werden. Kommentar Müller-Luckmann: „Die Richter werden zur Feigheit erzogen.“

Kurzum: Massig Software und wenig Hardware. Genau da rein stößt die Litigation-PR. Doch was ist neu an ihr? Die Dimension! Waren es früher „nur“ Anwälte und gewisse Journalisten, die ein Interesse an der parteiischen Darstellung eines Prozesses hatten, so kommen heute die „Medienanwälte“ bzw. „Kommunikationsexperten“ hinzu, plus schwer greifbare AktivistInnen in der weiten Welt des Internet.

So diffamierte Kachelmanns „Medienanwalt“ das mutmaßliche Opfer schon Monate vor dem Urteil als „die Erfinderin des Vergewaltigungsvorwurfes“. Ungestraft. Gleichzeitig versuchte er, den Medien mit einer Flut von einstweiligen Verfügungen und Abmahnungen einen Maulkorb umzulegen. Dabei ging es keineswegs nur um den legitimen Persönlichkeitsrechtsschutz, sondern so manches Mal ganz einfach um das Verhindern der Berichterstattung durchaus relevanter Fakten – wie zum Beispiel die DNA-Spuren an dem fraglichen Messer. Die erste Instanz des Kölner Landgerichts gab, zur Fassungslosigkeit der BerichterstatterInnen, quasi allen Verbotsanträgen des Kölner „Medienanwaltes“ statt. Die zweite Instanz aber gab im November 2011 in der Messer-Frage bild.de recht. Bleibt abzuwarten, welche Folgen diese Entscheidung für zukünftige Berichterstattungen über Prozesse haben wird.

Und dann das Internet. Im Fall Kachelmann gab es da eine Bloggerin in der Schweiz, die rechtlich unbelangbar war und diese Freiheit nutzte, enthemmt Partei zu ergreifen für ihren armen Kachelmann und dessen zahlreiche (Ex)Freundinnen mit Kübeln von Dreck und Verleumdungen überschüttete. Das alles unterfüttert mit wahrlich beeindruckenden Detailkenntnissen zum Fall.
Von wem?

Verschärfend hinzu kommt die Rolle gewisser Journalisten und Journalistinnen in diesem Fall. Die führende Meinungsmacherin im Fall Kachelmann war Sabine Rückert von der Zeit. Die bekannte Gerichtsberichterstatterin veröffentlichte bereits Monate vor Beginn des Prozesses, nämlich im Juni 2010, gleich ein ganzes Dossier über den „Justizirrtum“ aus Verteidiger-Perspektive – sie beschied: Kachelmann sei unschuldig und ein Opfer seiner rachsüchtigen Ex-Freundin. Das alles gespickt, drei Monate vor Beginn des Prozesses, mit erstaunlichen Details. Von wem?

Dieselbe Journalistin mischte wenig später bei dem Wechsel des Verteidigers von Kachelmann mit. Sie empfahl dessen erstem Anwalt, Reinhard Birkenstock, dringlich die Hinzuziehung eines zweiten, Johann Schwenn. Mit ihm hatte Rückert bereits einmal einen „Justizirrtum“ aufgedeckt, in einem Missbrauchsfall, und gleich ein ganzes Buch darüber geschrieben.

Schwenn löste Birkenstock dann mitten im laufenden Verfahren überraschend ab und erwies sich als Meister der Stimmungsmache. Mit besserwisserischen, arroganten Auftritten und medial massiv unterstützt von seiner bewährten Gefährtin Rückert, schüchterte der Hamburger „Staranwalt“ nicht nur das Mannheimer Provinzgericht ein, sondern auch so manchen autoritätshörigen Journalisten. Etliche schwenkten, nach anfänglicher Kachelmann-Kritik, nun um auf den Kurs des machtbewusst auftretenden Verteidigers und der ihm gewogenen Hamburger Leitmedien.

Ein wahrhaft grotesker Höhepunkt der Schwenn-Strategie in Sachen Stimmungsmache war, dass er mich von der Pressebank in den Zeugenstand beordern ließ. Wohl wissend, dass ich a) nichts zu sagen hatte, b) als Journalistin die Aussage verweigern würde. Das ganze Manöver diente ausschließlich dem Ziel, mich als Kachelmann-kritische Berichterstatterin unglaubwürdig zu machen und in den Verdacht der Parteilichkeit pro mutmaßlichem Opfer zu rücken. Mit Erfolg. War ich in der ersten Hälfte des Prozesses noch eine Journalistin unter vielen, die das Geschehen verfolgt und sich in den Pausen mit den KollegInnen darüber austauschte, so war ich in der zweiten Hälfte eine Gebrandmarkte. Kaum einer bzw. eine mochte noch mit mir reden bzw. in der Mittagspause mit mir gesehen werden. Es war nicht ohne Komik – und eine sehr, sehr aufschlussreiche Erfahrung.

Der Fall Kachelmann hat mich gelehrt, dass die Gerichte in Deutschland und auch die Medien weit davon entfernt sind, der konzertierten und hemmungslosen Wucht der Litigation-PR gewachsen zu sein – ja, manche Medien sind gar selber Teil der Litigation-PR. Im Ernstfall genügt es ja, erfolgreich Zweifel zu säen in Bezug auf die Schuld des Angeklagten – Freispruch.

Auch wenn es im Fall Kachelmann nur ein Freispruch dritter Klasse war. Denn noch in seiner Urteilsbegründung betonte der Richter, der Verdacht, dass Kachelmann seine damalige Lebensgefährtin vergewaltigt und mit dem Tode bedroht habe, habe sich „nicht verflüchtigt“, das Gericht habe weiterhin „Zweifel an seiner Schuld“.

Genau das war meine Position in diesem ganzen Verfahren: der Zweifel. Als Gegengewicht zu der überwältigenden, selbstgerechten Pro-Kachelmann-Berichterstattung hatte ich die „Opferperspektive“ eingenommen. Was nicht etwa hieß, dass ich – so wie Rückert & Co. – nun auch meinerseits behauptet hätte, die Wahrheit zu kennen und im Gegenzug geschrieben hätte: Er ist schuldig. Nein, ich hatte mir lediglich erlaubt, darauf aufmerksam zu machen, dass es sein könnte, dass das mutmaßliche Opfer die Wahrheit sagt. Doch das war schon zu viel.

Denn es ging ja im Fall Kachelmann über die Interessen der direkt Betroffenen hinaus um etwas, was sehr viele Frauen und Männer betrifft: um die sexuelle Gewalt innerhalb einer Beziehung. Es ging um einen Mann, der im Verdacht stand, seine Freundin vergewaltigt zu haben. Und die Statistiken belegen: Bei jeder zweiten Vergewaltigung ist der eigene Freund oder Mann bzw. Ex-Mann der Täter. Entsprechend emotionalisiert und polarisiert war die öffentliche Stimmung. Von den geschätzten 90.000 Vergewaltigungen Jahr für Jahr allein in Deutschland sind laut internationaler Statistiken maximal drei Prozent Falschanschuldigungen. Doch nur ein Prozent wird letztendlich gesühnt. Und was ist mit den restlichen 86.800 mutmaßlichen Opfern? Die haben eben keine Litigation-PR-Berater.

Alice Schwarzer

http://www.aliceschwarzer.de/publikatio ... nda-recht/
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Re: Versagen freie Foren?

Beitragvon DieLara » Mo 8. Okt 2012, 22:31

Tja Ali,

dass man A. Schw. das Wort im Munde herumgedreht hat bzw. immer noch versucht, haben wir schon immer kritisiert. Uns ist das gleiche doch auch massenhaft bei den Elsen passiert. Anfangs hat mich das noch gewundert und so manche Dreherei habe ich als "Dummheit des Lesers" angesehen. Dass sich das ziemlich schnell geändert hat, habe ich unter anderem auch dir und einigen anderen zu verdanken.

Oh nein, das war beileibe keine Dummheit, das war und ist alles genau mit voller Absicht passiert. Dass man A. Schw. einen juristischen Maulkorb verhängen wollte, glaube ich ungesehen. Dass es einer ungeheuren Litigation-PR zu verdanken ist, dass Gerichte sich unter Druck gesetzt fühlen, glaube ich ebenfalls. Dieser Prozess hätte auch ganz ohne Star-Anwalt und ohne Litigations-PR auskommen können. Der Freispruch wäre m. E. trotzdem genau SO erfolgt, wie er erfolgte.

A. Schw. hat m. E. genau erkannt, worum es geht und was diese Abmahn- und Gerichtswelle für einen Zweck erfüllen soll: Kritiker sollen mundtot gemacht werden. Egal, ob es sich nun um ganz normale User im Netz handelt oder um eine A. Schw. geht.

Ich hoffe, dass A. Schwarzer (und nicht nur sie!) mit allen nur möglichen juristischen Mitteln gegen Meinungsdiktatur und Maulschellen angeht. Den richtigen Anwalt scheint sie jedenfalls gefunden zu haben. ;)

Ansonsten sehe ich bald eine Gerichtsbarkeit, die sich pausenlos der Diktaktur des Geldes und der Macht unterwirft... obwohl... gefühlt... gefühlt... ist sie das (für mich) schon lange.

PS: NEIN, ich/wir habe/n mich/uns NICHT täuschen lassen... da kann eine noch so mächtige und einflussreiche Litigation-PR über mich/uns rollen. :mrgreen:
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Re: Versagen freie Foren?

Beitragvon DieLara » Di 9. Okt 2012, 02:25

Hach ja... die Schweizer Medien!

:lol: :lol: :lol: :lol: :lol:

Was morgens nur ein Lächeln hervorrief:

Kachelmanns «Märchen» schon heute im Handel


http://www.tagesanzeiger.ch/panorama/le ... y/19148055

... hat sich nun in ein lautes Lachen verwandelt.

Ja ja... die Schweizer Medien... hat K. die eigentlich auch schon verklagt???

Egal... Weltbild Schweiz ist so "nett" und hat K.´s Buch tatsächlich unter "Märchen"... inmitten der Märchenbücher von den Brüdern Grimm und Hans Christian Andersen... "abgelegt". :lol:
Darüber auch noch schön zu lesen: Das Märchenbuch "Es war einmal..."

http://www.weltbild.ch/9/m%C3%A4rchen.html

Zufall? Mag sein... aber ich lieg trotzdem gerade unterm Tisch. :lol:

Erwähnte ich schon, dass mir die Schweizer Medien allgemein besser gefallen als die Deutschen?

Sie sind einfach unschlagbar einfallsreich. :lol: :lol: :lol:

Gute Nacht!
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Re: Versagen freie Foren?

Beitragvon Ali » Di 9. Okt 2012, 09:12

Guten Morgen! ;)

Bild

Tja, liebe Lara, man(n) kann es auch wie dieser Herr, wunderbar auf den Punkt bringen:

Wir hatten gehofft, nie wieder was vom Vergewaltigungsprozess des Herrn Kachelmanns zu hören, nun geht die infame show des notorischen Lügners offenbar weiter. Das Wettergeschäft scheint nicht mehr zu laufen, der gewohnte Harem wurde, zumindest nach außen hin, auf nur eine Dame reduziert, da schreibt man eben ein Buch voll. Ausgeholt wurde zu einem Rundumschlag gegen Frauen. Geschmackvollerweise wurde die derzeitigen Gattin, eine Dauerstudentin der Psychologie, vorgeschickt. Von ihr wird im "Spiegel" über die "Opferindustrie" geklagt, die "gewohnheitsmäßig männerverurteilende Justiz" (ihr Mann ist doch sogar freigesprochen worden!) "Frauen die sich mit Vergewaltigungsvorwürfen zu leicht rächen können". "Mütter die sich so problemlos das Sorgerecht erstreiten",und Alice Schwarzer, die "nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht"...Ist schon klar, Gnädigste... Wie tief kann man als Frau eigentlich sinken?
Das ganze ist garniert mit einem Foto des holden Paares bei dem ich laut loslachen musste: die Gattin wie eine resolute Bäuerin, schützend vor ihm stehend. Dahinter sich versteckend, betont harmlos aus der Wäsche schauend der Herr Gemahl. Zum schreien. Kachelmann verteidigt sich nun allen Ernstes damit, dass er schließlich nicht der einzige sei, der Frauen bescheiße und die Heuchelei ihn enttäusche. Das ist natürlich ein überzeugendes Argument: Macht doch eh jeder! Warum soll ausgerechnet er jetzt büßen? Die Gattin schweigt dazu.Das erinnert mich an den anderen Vergewaltigungsprozess von Strauss-Kahn.
An dieser Stelle möchte Ihnen, Frau Schwarzer, nochmal Respekt und Dankbarkeit aussprechen für Ihren Mut die Ex-Freundin von Kachelmann als Mensch behandelt zu haben.

http://www.aliceschwarzer.de/gaestebuch ... uch-start/


Bingo! :mrgreen:

Bei der Frau eines ( "mangels Beweisen ") Freigesprochenen kommt es natürlich alles andere als authentisch rüber, wenn ausgerechnet sie von einer männerverurteilenden Justiz schwadroniert.
Ehrverletzende Bemerkungen wie, "nicht die Hellste auf der Kerze" über irgendwelche Vorgängerinnen, die zeitweise ja ihre Nebenbuhlerinnen waren und die sie persönlich nur dem Erzählen nach und vor Gericht kennt, hinterlässt den negativen Beigeschmack, sie würde aus einer rein emotionalen Perspektive argumentieren.
Als Frau würde ich mich auf jeden Fall nicht dazu hergeben einen Mann - ausser mit dem Satz "ich glaube ihm" - bei einem ungeklärten Fall, bei dem ich nicht Zeuge war, zu unterstützen.
Als Mann würde ich meine Frau schon gar nicht darum bitten, geschweige denn mich dahinter verstecken.
Aber wie las ich an anderer Stelle, sie wird sehr wahrscheinlich von ihm "aufgebaut".
Auch meine Meinung.
Lass dich nicht unterkriegen, sei frech, wild und wunderbar.
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Re: Versagen freie Foren?

Beitragvon DieLara » Di 9. Okt 2012, 12:47

Aber wie las ich an anderer Stelle, sie wird sehr wahrscheinlich von ihm "aufgebaut".


Jo, da könntest du richtig liegen. Meines Erachtens scheint sie eine gute "Schülerin" zu sein, sonst wäre ihr die Bemerkung über DIE Frau, die IHR Mann über 11 Jahre "aufgebaut" hat, wohl kaum über die Lippen gekommen. Auf der anderen Seite, so kann man bei Amazon über sie lesen, soll sie eine ausgebildete Bühnendarstellerin sein; also mit der Schauspielerei verbunden. Studieren soll sie ja erst seit 2009.

Mein ganz persönliches Fazit: Mich erinnert eine Frau K. momentan sehr an die Frau eines DSK (wenn auch um Jahrzehnte jünger). Die Fassade steht noch... was in dem jungen Alter noch normal für mich ist.

Die nächsten 20, 30 Jahre werden zeigen, was von der Fassade übrig geblieben ist. ;)
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