Morgen steht - nach allgemeiner Auffassung - eine Entscheidung des BVerfG von historischer Bedeutung an:
Weniger Stimmen, mehr Sitze: Überhangmandate verzerren zunehmend den Willen der Bürger. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet am Mittwoch, ob Deutschlands Wahlrecht dem Grundgesetz entspricht. Und diesmal werden die Richter darauf drängen, dass ihre Entscheidung rasch umgesetzt wird.
http://www.sueddeutsche.de/politik/bundesverfassungsgericht-zum-wahlgesetz-geburtsfehler-vor-gericht-1.1421395
Nach meiner Auffassung ist das Urteil allerdings nicht so wahnsinnig bedeutend:
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Die Wiedervereinigung brachte mehr Überhangmandate
Dann brachte die Wiedervereinigung eine Wende in der Geschichte der Überhangmandate. 16 solcher Sitze fielen bei der Bundestagswahl 1994 an, vier Jahre später waren es 13, im Jahr 2005 wiederum 16 und vor drei Jahren sogar 24. Neuer Rekord, und womöglich nicht der letzte: Experten prognostizieren wegen der veränderten Parteienlandschaft weitere Steigerungen. Schon 1997 entschied Karlsruhe erneut, es wurde ein denkwürdiges Urteil. Der Zweite Senat spaltete sich - genau entlang der Parteilinie. Die vier von der SPD benannten Richter wollten die Überhangmandate kippen; die vier auf dem Unionsticket gewählten Richter hielten sie für zulässig - und setzten sich durch, weil nur eine Richtermehrheit Gesetze für grundgesetzwidrig erklären kann.
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http://www.sueddeutsche.de/politik/bundesverfassungsgericht-zum-wahlgesetz-geburtsfehler-vor-gericht-1.1421395-2
Vier "SPD - Richter", vier "CDU-Richter", diese Verhältnisse beim BVerfG sind letztendlich ebenso Ausdruck einer "Verfassungsdemokratie light" wie von Parteibossen über Wahllisten eingesetzte Abgeordnete, die zur Abstimmung über das Jahrtausendwerk EU - Verfassung schreitend keine Ahnung haben, was da drin steht.
Solange wir keine wirklich unabhängigen Abgeordneten und höchste Richter haben, ist das Gezerre um die Überhangmandate nur absurdes Theater - so absurd wie ein Krebspatient, der sich ständig nur über die kosmetische Kaschierung der Nebenfolgen der Chemotherapie den Kopf zerbricht.
Übrigens ist das "progressive Lager" wegen der Regel, dass Verfassungsbeschwerden bei Stimmgleichheit im zuständigen Senat scheitern, gegenüber den Konservativen strukturell benachteiligt. Es ist schon fast erstaunlich, dass das bei den Parteiproporzexperten noch nie ein großes Thema war.