"whistleblower" und schlechte Angewohnheiten der Deutschen

Meinungen und Erfahrungen zu unserer wichtigsten politischen Aussage.

"whistleblower" und schlechte Angewohnheiten der Deutschen

Beitragvon AlexRE » Mo 19. Jan 2009, 19:50

Leider gibt es auch schlechte Angewohnheiten der deutschen Mehrheitsbevölkerung, die der Pflichterfüllung der Staatsdiener entgegenstehen. Die stammen ja alle aus dieser Bevölkerung, meist aus dem mainstream. Die Unsitte, dass nach der allgemeinen Anschauung auf keinen Fall eine Krähe einer anderen ein Auge aushacken darf, ist schädlich für unsere demokratische Rechtskultur. Das hat heute unser Freund CasusKnacktus auf dem Forum von web.de dazu geschrieben:

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„In Deutschland gilt derjenige als viel gefährlicher, der auf den Schmutz hinweist, als der, der ihn gemacht hat.” Carl von Ossietzky"

Das ist wirklich ein wahres Wort. In den USA z. B. geniessen sogenannte "whistleblower" hohes Ansehen und den Schutz der Justiz. Das sind Leute, die als Mitarbeiter oder Angehörige von Geschäftsleitungen bzw. Verwaltungen kriminelle Machenschaften ihrer Kollegen an die Öffentlichkeit bringen und sich dabei um öffentliche Interessen verdient machen.

In Deutschland gelten solche Leute als Lumpen und Denunzianten, bis hin zur Solidarisierung der Justiz mit den Kriminellen, die da so schrecklich "verraten" wurden. Hier darf eine Krähe auf keinen Fall einer anderen Krähe ein Auge aushacken. Das ist eine für alle öffentlichen Interessen des Landes und für die persönlichen Rechte vieler gefährdeter Menschen extrem schädliche und gefährliche Haltung. Schädlich, dumm und in Deutschland mehrheitsfähig. Es war eben schon immer etwas teurer, einen besonderen Geschmack zu haben.

Hier ein Extremfall:

http://www.swr.de/report/-/id=233454/ni ... index.html

Die Frau hat furchtbare Mißstände in dem Altenheim, in dem sie beschäftigt war, an die Öffentlichkeit gebracht und ist gekündigt worden. Sie hat den Kündigungsschutzprozess verloren, sie ist einem deutschen Arbeitgeber ja nicht zumutbar. Die Straftaten in dem Altenheim, die sie angeprangert hat, sind dagegen nicht angeklagt worden.

Dieses Land ist wirklich alles andere als ein Vorbild für andere Rechtsstaaten, die deutschen Politiker spielen sich trotzdem im Ausland regelmäßig als Instruktoren in Menschenrechtsfragen auf und stehen jungen Demokratien besonders eifrig als Nachhilfelehrer bei.

Man sollte wirklich über eine neue Nationalhymne nachdenken und Begriffe sammeln, die sich auf "Absurdistan" reimen.

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Es gibt einen Verein, der sich um das Problem kümmert:

http://www.whistleblower-net.de/content ... 1/lang,de/

Die Leute vom Querdenkerforum, auf dem ich auch vertreten bin und unsere Unterstützung für das "Aktionsbündnis Verfassungsreferendum" erklärt habe, sind an der Netzwerkarbeit dieses Vereins beteiligt.
Der Stuttgarter OB Rommel:

Ich trete überall, wo das notwendig ist, der Meinung entgegen, der Umstand, dass die Diktatur zu allem fähig war, berechtige dazu, die Demokratie zu allem unfähig zu machen.
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Re: "whistleblower" und schlechte Angewohnheiten der Deutschen

Beitragvon Santo » Fr 23. Jan 2009, 17:44

Beitrag vom 28.11.2008 17:58 Uhr

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Nur zu wahr. Hierbei handelt es sich nicht um eine These, sondern um ein in der Realität leider stark eingeschliffenes Verhalten, insbesondere in deutschen Landen.
Ähnlich wie das aus der Obrigkeitshörigkeit weiter Teile der Bevölkerung resultierende Verhalten ist auch das Ächten von sogenannten "Nestbeschmutzern" und "Weltverbesserern" eine weit verbreitete Handlungsmaxime, von der man ebenfalls wie bei ersterer leider annehmen muss, dass sich diese im deutschen Volk genetisch bereits verfestigt hat. Ohne an dieser Stelle näher auf die genetischen Einzelheiten eingehen zu wollen sei gesagt, dass, je länger ein Verhalten praktiziert und von Generation zu Generation weitergegeben wird, nach den Feststellungen der Genforscher auch die Wahrscheinlichkeit steigt, dass dieses die Gene beeinflusst und so letztlich auch per Vererbung weitergegeben wird, wodurch das ganze zum "Teufelskreis" wird. Die Gene beeinflussen nicht nur das Verhalten, sondern das Verhalten auch die Gene...

Doch zurück zur Hauptsache ...

Was ist nun besser, "Nestbeschmutzer" zu sein oder Nestbeschmutzer zu "verpfeifen", wie der Volksmund sagt? Kommt ganz darauf an ...
All diejenigen, die meinen, eine Krähe dürfe der anderen kein Auge aushacken mögen folgende Argumente einmal in Ruhe durchdenken.

Grundsätzlich sei festgestellt, dass es ohne diejenigen, die "in den eigenen Reihen" für Ordnung sorgen, gar keine Ordnung gäbe, sondern die totale Übermacht von Vetternwirtschaft, Vertuschung von Fehlverhalten und anderer negativer "Auswüchse", die sonst immer gerne nur an Außenstehenden kritisiert werden.
Sind es nicht die sogenannten "Weltverbesserer", die letztlich genau das Engagement zeigen und praktizieren, welches deren Kritikern fehlt? Wo wäre echter Fortschritt, wobei auch immer, ohne derartige Initiative?

Doch das Beste kommt immer zum Schluss ...
Sowohl "Nestbeschmutzer" als auch "Weltverbesserer" werden gerne kritisiert, doch wann immer diese etwas Positives erreichen sind es in erster Linie deren Kritiker die an vorderster Front den Nutzen daraus einstreichen wollen und sich manchmal sogar auf perfideste Art mit "fremden Federn schmücken", indem sie das Erreichte noch als Eigenleistung darstellen ...

Und die Moral von der Geschicht, trau Kritikern von "Nestbeschmutzern" nicht ...

Natürlich gibt es auch echte Nestbeschmutzer, die dies nur zum eigenen Vorteil tun und damit sicher keine Anerkennung dafür verdient haben. Erkennen und unterscheiden kann man dies jedoch nur, indem man sich neutral informiert, dann differenziert und so zu einer tragfähigen Meinung kommt. Deshalb plädiere ich dafür, dass, wann immer man auf dereartige Konstellationen trifft, in denen solche Menschen derartig tituliert und kritisiert werden, jeder Einzelne nicht blind auf die Kritik hören, sondern selbst sehr genau hinsehen und -hören sollte, um sich ein möglichst neutrales, eigenes Bild von der Situation und der Person machen zu können.
Wir müssen die Veränderung sein, die wir in der Welt sehen wollen.

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Re: "whistleblower" und schlechte Angewohnheiten der Deutschen

Beitragvon AlexRE » Fr 23. Jan 2009, 18:41

Santo hat geschrieben:Nur zu wahr. Hierbei handelt es sich nicht um eine These, sondern um ein in der Realität leider stark eingeschliffenes Verhalten, insbesondere in deutschen Landen.
Ähnlich wie das aus der Obrigkeitshörigkeit weiter Teile der Bevölkerung resultierende Verhalten ist auch das Ächten von sogenannten "Nestbeschmutzern" und "Weltverbesserern" eine weit verbreitete Handlungsmaxime, von der man ebenfalls wie bei ersterer leider annehmen muss, dass sich diese im deutschen Volk genetisch bereits verfestigt hat. Ohne an dieser Stelle näher auf die genetischen Einzelheiten eingehen zu wollen sei gesagt, dass, je länger ein Verhalten praktiziert und von Generation zu Generation weitergegeben wird, nach den Feststellungen der Genforscher auch die Wahrscheinlichkeit steigt, dass dieses die Gene beeinflusst und so letztlich auch per Vererbung weitergegeben wird, wodurch das ganze zum "Teufelskreis" wird. Die Gene beeinflussen nicht nur das Verhalten, sondern das Verhalten auch die Gene...



Die deutsche Nation ist gerade mal 1000 Jahre alt. Wann und aufgrund welcher Ursache soll in diesem Zeitraum so eine prägnante genetische Spezifikation entstanden sein? Ich vermute eher, dass sich aufgrund der überdurchschnittlich stabilen Herrschaftsverhältnisse in deutschen Staaten der Vergangenheit (wegen der Mittellage und der vielen äusseren Feinde) eine anti - Tradition herausgebildet hat. Stabile Herrschaft = viele Denunzianten, reactio = das grösste Schwein im ganzen Land ist und bleibt der Denunziant. Solche Traditionen und gegen - Traditionen findet man auch in anderen Kulturen. Schau`Dir mal die höchst disziplinierten Engländer (Schuluniformen und geordnete Warteschlangen beim Einsteigen in den Bus) auf der einen Seite und den atavistischen Mob der britischen Fussball - Hooligans auf der anderen Seite an. Die einen überziehen in der einen Richtung, die anderen halten ebenso extrem dagegen. Also liegt dem Phänomen des deutschen Korpsgeistes insgesamt vermutlich eher eine soziale bzw. historische als eine eugenische Ursache zu Grunde.
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Re: "whistleblower" und schlechte Angewohnheiten der Deutschen

Beitragvon Santo » Fr 23. Jan 2009, 19:39

Beitrag vom 29.11.2008, 19:55 Uhr.

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AlexRE schrieb:

Die deutsche Nation ist gerade mal 1000 Jahre alt. Wann und aufgrund welcher Ursache soll in diesem Zeitraum so eine prägnante genetische Spezifikation entstanden sein? Ich vermute eher, dass sich aufgrund der überdurchschnittlich stabilen Herrschaftsverhältnisse in deutschen Staaten der Vergangenheit (wegen der Mittellage und der vielen äusseren Feinde) eine anti - Tradition herausgebildet hat. Stabile Herrschaft = viele Denunzianten, reactio = das grösste Schwein im ganzen Land ist und bleibt der Denunziant. Solche Traditionen und gegen - Traditionen findet man auch in anderen Kulturen. Schau`Dir mal die höchst disziplinierten Engländer (Schuluniformen und geordnete Warteschlangen beim Einsteigen in den Bus) auf der einen Seite und den atavistischen Mob der britischen Fussball - Hooligans auf der anderen Seite an. Die einen überziehen in der einen Richtung, die anderen halten ebenso extrem dagegen. Also liegt dem Phänomen des deutschen Korpsgeistes insgesamt vermutlich eher eine soziale bzw. historische als eine eugenische Ursache zu Grunde.



Nun, Deutsche gabs auch schon vor Gründung des eigentlichen Deutschen Reichs, welches lediglich eine politische Zusammenführung und Organisationshoheit manifestierte...., an Begrifflichkeiten wollte ich das nicht festgemacht wissen ...

Es benötigt meines Wissens längst keine tausend Jahre um eine genetisch signifikante Veränderung dieser Art hervorzurufen. Ich werde diesbezüglich genauere Zahlen bei Gelegenheit recherchieren.
Beispiel anderer Art, wie schnell biologische Veränderungen vor sich gehen:
MRT-gestützte Untersuchungen am Massachusetts General Hospital, Boston, MA, USA, unter "Hoheit" der Harvard Medical School haben ergeben, dass das Beobachten des eigenen Atems, also entspanntes konzentrieren auf dessen natürlichen Fluss, bei etwa 20-40 Min. tägl., schon nach einer Gesamtlänge von etwa 2 Monaten signifikante, durch das MRT (Magnetresonanzspektroskopie, auch Kernspintomographie genannt) darstellbare, Hirnveränderungen hervorruft, so z. B. verbesserte Durchblutung, Zunahme der Gefäße in Teilbereichen, Zunahme der grauen Masse, etc. ...

Dass dem Phänomen deutschen "Korpsgeistes" darüberhinaus auch eine soziale, bzw. historische Ursache zugrundeliegt möchte ich gar nicht abstreiten, sondern halte es ebenfalls für wahrscheinlich, aber eben nur zusätzlich. Es scheint insgesamt wohl eine Verquickung mehrerer Ursachen vorzuliegen, die sich gegenseitig noch in ihrer negativen Gesamtwirkung verstärken.
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Re: "whistleblower" und schlechte Angewohnheiten der Deutschen

Beitragvon AlexRE » Fr 15. Jan 2010, 00:52

Mit etwas Verspätung vom Privatforum rüberkopiert, den wichtigen Beitrag hatte ich ganz vergessen :|
______________________________________________________

Der längste und teuerste Prozess (bzw. 90 Prozesse um den gleichen Gegenstand) der deutschen Zivilrechtsgeschichte geht dem Ende zu:

Die BAYER-Anwälte versuchten auch gar nicht mehr ernsthaft, Süllhöfers Version des Tatbestandes zu widerlegen. Schon in einem früheren Verfahren gelang es ihm nämlich, das Lügen-Gebäude des Kunststoff- Riesen zum Einsturz zu bringen. Anhand eines Gutachtens der TU Aachen wies er detailliert nach, dass das Unternehmen den Beweis dafür, seine Maschine sei älteren Datums als die Süllhöfers, mit rückdatierten, also gefälschten Konstruktionszeichnungen geführt hat (SWB 2/02). Vor dem Oberlandesgericht behaupteten sie dreist, das Chemie-Unternehmen hätte sich in der Auseinandersetzung mit Süllhöfer nie auf diese technischen Zeichnungen als Beleg für die Richtigkeit seiner Angaben gestützt. Die Konzern-Juristen verlegten sich auf eine andere Strategie; sie strebten eine Einstellung des Verfahrens wg. Verjährung an. Darauf ließen sich die Richter allerdings nicht ein.

Quellen:
http://www.cbgnetwork.org/Ubersicht/Zeitschrift_SWB/SWB_2002/SWB_03_2002/Patentraub_03_02/patentraub_03_02.html

http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=12911&css=print

Auch hier spielte ein whistleblower, ein Bayer - Insider eine Rolle. Zudem musste der Betrogene die Hälfte seines über 80 - jährigen Lebens und sein erkleckliches Vermögen opfern, um gegen einen Gegner dieses Kalibers in Deutschland gewinnen zu können. Die Justiz selbst spielt mal wieder eine mutmaßlich sehr unrühmliche Rolle:

Ein interessanter Nebenaspekt: Der Vorsitzende Richter, Gisbert Steinacker, wohnte einst in Leverkusen Opladen Haus an Haus mit dem im Fall Süllhöfer federführend tätigen BAYER-Justitiar und heutigen Leiter der Rechtsabteilung des Konzerns, Charbonnier. Es gab Gerüchte, dass die von ihm verhängten Süllhöfer-Urteile "bei BAYER gefällt" worden seien. Kurz nach dem letzten Urteil im Sinne des Konzerns bezog er eine neue Villa in Wittlar. Wohin mag er nach seinem nächsten Urteil im diesem Verfahren ziehen??.

Quelle: http://www.cbgnetwork.org/670.html

Ich befürchte allerdings, dass in ähnlichen Fällen nur sehr wenige Menschen den Mut und die Willenskraft dieses Mannes aufbringen werden, des Erfinders Heinz Süllhöfer:

BAYER-SullhoeferHeinz.jpg


So sehen Sieger aus. Wie gesagt, viele Menschen werden so einen Kampf nicht riskieren, jedenfalls nicht vor deutschen Gerichten.
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Re: "whistleblower" und schlechte Angewohnheiten der Deutschen

Beitragvon AlexRE » Mo 1. Mär 2010, 11:30

Ein ergänzender Link zu der obigen Geschichte von Heinz Süllhöfer, der Betreiber dieser HP hat ähnliche Erfahrungen mit der deutschen Justiz gemacht und weitere Fälle gesammelt:

ivan-zilic.de/opfer

Dazu passend ein Auszug aus einem 2008 erschienenen Spiegel - Artikel:

Beute der Parteien

(...)

Nur einen Tag nach seiner Ankündigung lieferte, wie auf Bestellung, der Staatsgerichtshof in Hessen einen weiteren Beleg für Steffens These. Das Verfassungsgericht des Landes urteilte am vergangenen Mittwoch mit der knappen Mehrheit von sechs Richtern, die von der CDU-Landesregierung eingeführten Studiengebühren seien vereinbar mit der hessischen Verfassung.

Alle sechs waren auf Vorschlag von CDU und FDP in den Staatsgerichtshof gewählt worden. Die übrigen fünf Richter erklärten dagegen einmütig, sie hielten die Studiengebühren für verfassungswidrig. Diese fünf verdanken ihren Sitz im Staatsgerichtshof SPD und Grünen, also jenen Parteien, die in dieser Woche die Studiengebühren in Hessen mit Hilfe der Linken im Parlament wieder abschaffen wollen.


Quelle: spiegel.de
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Re: "whistleblower" und schlechte Angewohnheiten der Deutschen

Beitragvon Ricarda » Do 17. Jun 2010, 22:05

Gerade da, wo es um den Schutz von besonders schutzbedürftigen Personen geht, fällt mir auf, dass der ausgeprägte Täterschutz den effektiven Schutz der Opfer weitgehend unmöglich macht. Die Problematik von Überwachungskameras und ihr Einsatz in Kassenbereichen von Supermärkten und an Arbeitsplätzen wird sicherlich zu Recht problematisiert.

Wie ist es aber da, wo eine versteckte Kamera die einzige Möglichkeit wäre, Übergriffe und Pflichtverletzungen zu entdecken, weil die potentiellen Opfer sich nicht wehren können? Wenn jemand zunehmend dement wird, erzählt er sicherlich auch vieles, was nicht stimmt. Daraus kann aber auch der Schluss gezogen werden, dass man machen kann, was man will, weil dem Geschädigten ja ohnehin nicht geglaubt wird - jedenfalls solange keine deutlichen Verletzungen vorhanden sind.

Ich habe z.B. erlebt, dass eine alte Frau hartnäckig behauptete, der Pflegedienst weigere sich jeden Morgen, sie zu duschen, während der Pflegedienst behauptete, sie finde jeden Morgen neue Ausreden, um nicht duschen zu müssen. Bei offener Beobachtung wird das Verhalten immer anders sein als dann, wenn sich alle Beteiligten unbeobachtet glauben. Ein Betreuer erzählte mir, er habe eine Betreute im Heim besucht, die im Doppelzimmer untergebracht war zusammen mit einer Frau, für die ein Trinkprotokoll geführt wurde, damit genügende Flüssigkeitsaufnahme kontrolliert wird. Während er bei seiner Betreuten war, kam eine Mitarbeiterin rein, füllte in dem Formular etwas aus und verließ den Raum, ohne irgendwelche Flüssigkeit angeboten zu haben. Im Zweifel würde sie sicherlich erklären, sie habe nur etwas nachgetragen, was sie vorhin versehentlich nicht notiert habe.

Dieses Problem lässt sich sicherlich nicht dadurch lösen, dass ich in jeden Heimvertrag und in jeden Pflegevertrag reinschreibe, dass sich alle Vertragsparteien damit einverstanden erklären, dass bei Auftreten irgendwelcher Verdachtsmomente oder zur Stichprobe verdeckte Kameras installiert werden können. Andererseits müsste es doch irgendeine legale Möglichkeit geben, in solchen Fällen Beweise zu beschaffen - und zwar Beweise in Form von verwertbaren Aufnhmen.
Ricarda
 

Re: "whistleblower" und schlechte Angewohnheiten der Deutschen

Beitragvon AlexRE » Fr 18. Jun 2010, 12:17

Ricarda hat geschrieben:Wie ist es aber da, wo eine versteckte Kamera die einzige Möglichkeit wäre, Übergriffe und Pflichtverletzungen zu entdecken, weil die potentiellen Opfer sich nicht wehren können? Wenn jemand zunehmend dement wird, erzählt er sicherlich auch vieles, was nicht stimmt. Daraus kann aber auch der Schluss gezogen werden, dass man machen kann, was man will, weil dem Geschädigten ja ohnehin nicht geglaubt wird - jedenfalls solange keine deutlichen Verletzungen vorhanden sind.

Ich habe z.B. erlebt, dass eine alte Frau hartnäckig behauptete, der Pflegedienst weigere sich jeden Morgen, sie zu duschen, während der Pflegedienst behauptete, sie finde jeden Morgen neue Ausreden, um nicht duschen zu müssen. Bei offener Beobachtung wird das Verhalten immer anders sein als dann, wenn sich alle Beteiligten unbeobachtet glauben.


Das Verstecken einer Überwachungskamera im Pflegeheim ist mit der gegenwärtigen Rechtslage sicher nicht zu vereinbaren. Dazu habe ich einen Fall gefunden:

„Selbst wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgeht – wofür auch gute Gründe sprechen –, dass die heimlichen Filmaufnahmen und die Weitergabe derselben an den Fernsehsender RTL rechtswidrig waren, so muss doch die Kündigung des Vertrages das letzte Mittel sein.


juraforum.de

Nähere Ausführungen dazu auf diesem recht grossen und sehr informativen Forum:

http://www.wernerschell.de/forum/neu/viewtopic.php?p=28699&sid=65b312ce29fcb01ec03f7cfbe8ecccc3

Anders könnte sich die Rechtslage vielleicht darstellen, wenn ein Betreuer oder Amtsvormung eine Überwachungskamera in der eigenen Wohnung der pflegebedürftigen und dementen Person installiert. Auf seinem eigenen Areal darf man sich m. E. gegen rechtswidrige Handlungen Dritter durch Überwachungskameras schützen.

Ob die gegenseitigen Vertragspflichten im Verhältnis zu dem Pflegedienst dem entgegenstehen, müsste man vielleicht durch eine Suche in einer Urteilsdatenbank überprüfen.
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Re: "whistleblower" und schlechte Angewohnheiten der Deutschen

Beitragvon AlexRE » Di 12. Jul 2011, 14:06

Das whistleblower - Thema ist nach wie vor aktuell:

Schwache Position

All das zeigt unterm Strich, wie schwach die Position der Whistleblower in Deutschland ist. Es ermutigt nicht wirklich, selbst zum Whistleblower zu werden, sondern schreckt eher ab. Es befördert die Haltung: lieber schön still verhalten und wegschauen. Denn wer aufklärt, kann sich dabei nur die Finger verbrennen. Schon lange gefordert, aber bislang in Deutschland nicht umgesetzt, wird daher ein Whistleblower-Gesetz, das es weltweit längst gibt, zum Beispiel in den USA. Besonders wichtig dabei: Weniger Risiko und mehr Berechenbarkeit für den Whistleblower, indem Arbeitgebern zum Beispiel "Vergeltungsmaßnahmen" gesetzlich untersagt werden, also der komplette Rachekatalog: von Mobbing, über Nichtbeförderung bis hin zur Kündigung.


Quelle: br-online.de
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Re: "whistleblower" und schlechte Angewohnheiten der Deutschen

Beitragvon AlexRE » Do 21. Jul 2011, 12:40

Nach einer Serie kafkaesker Unrechtsurteile der deutschen Arbeitsgerichtsbarkeit und des Bundesverfassungsgerichts ist in dem im Eingangsbeitrag dieses threads beschriebenen Fall jetzt erstmals Recht gesprochen worden - vom EGHMR:

Rückendeckung für kritische Arbeitnehmer: Wer Missstände im eigenen Unternehmen publik macht, darf dafür nicht bestraft werden. Dies hat jetzt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fall einer Altenpflegerin entschieden, die ihren Arbeitgeber wegen Betrugs angezeigt hatte.

(...)

Altenpflegerin Brigitte H. hatte Strafanzeige gegen ihren Arbeitgeber erstattet, den Klinikbetreiber Vivantes, der dem Land Berlin gehört. Das Unternehmen habe zu wenig Personal und sei deshalb nicht in der Lage, die Bewohner eines Pflegeheims ausreichend zu versorgen. Daraufhin wurde die Altenpflegerin fristlos gekündigt.

Die deutschen Gerichte bestätigten die Kündigung - zuletzt war die Klägerin vor dem Bundesarbeitsgericht und dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Der EGMR sieht in der Entlassung allerdings eine Verletzung der Meinungsfreiheit und sprach der Pflegerin eine Entschädigung von insgesamt 15.000 Euro zu.


Quelle: spiegel.de

Rechtstreue Bürger, die Verantwortung für Mitmenschen in Lebensgefahr übernehmen, unter Missachtung höchstrangiger Rechtsnormen schutzlos zu stellen und stattdessen die Täter zu schützen, ist eine Spezialität der deutschen Justiz. In anderen demokratischen Rechtsstaaten ist ein derart widernatürliches Rechtsempfinden kaum anzutreffen.

Das Urteil des EGHMR ist daher keine Überraschung.

Es fragt sich nur, warum das so ist. Ist in Deutschland irgendwas im Grundwasser, was die Bevölkerung einschließlich der Verantwortlichen in der Politik und der Justiz völlig irre macht?

Oder haben wir es mit einer personellen Verquickung aller Staats- und Wirtschaftsmächtigen zu tun, die keine echte Gewaltenteilung zulässt und der Rechtsstaatlichkeit in Deutschland schweren Schaden zufügt?

Solange die Toxikologie nicht die erste Erklärungsmöglichkeit unter Beweis stellt, gehe ich davon aus, dass die zweite realistisch ist.

Siehe auch: Spiegel - Forum Beitrag # 15
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