Nach weiteren Recherchen zum Thema "BVerfG und Volksabstimmungen" muss ich daran erinnern, dass das Gericht nach Parteibuchproporz von Berufspolitikern besetzt wird.
Hier ein Interview mit der Verfassungsrichterin Lübbe - W., in der sie das Gegenteil der Meinung von Herrn Papier vertritt:
Plädieren Sie für die Einführung von Volksabstimmungen im Grundgesetz?
Ich will nicht plädieren, sondern Zusammenhänge und Entwicklungen verdeutlichen, und die sind so, dass das kommen wird, egal ob und wofür ich plädiere. Denn nur so können die Bürger ihre differenzierten Vorstellungen auch differenziert zum Ausdruck bringen und anders entscheiden als auf der Linie der Partei, die sie gewählt haben. Schon allein diese Möglichkeit oder die Notwendigkeit, bestimmte besonders wichtige Fragen dem Volk zur Entscheidung vorzulegen, wird dann auch das Verhalten der gewählten Repräsentanten verändern.
Quelle:
taz.deDiese Meinungsverschiedenheit ist deshalb so aufschlussreich, weil Frau Lübbe - W. und Herr Papier schon zu ihrer gemeinsamen Zeit als Professoren in Bielefeld in wichtigen Angelegenheiten nie unterschiedlicher Auffassung waren und schließlich gemeinsam zum BVerfG gegangen sind.
Warum erzählen sie ausgerechnet in dieser wichtigen Frage das jeweilige Gegenteil? Ich kann mir das wirklich nur so erklären, dass Verfassungsrichter nach Parteibuchproporz ausgewählt werden und Herr Papier auf CDU - Ticket gereist ist, Frau Lübbe W. aber auf SPD - Ticket. Die CDU und die SPD vertreten offiziell entgegengesetzte Meinungen zu der grundsätzlichen Frage, ob Volksabstimmungen auf Bundesebene wünschenswert seien oder nicht.
Und noch ein Indiz dafür, dass die aktuelle Meinungsäusserung parteipolitisch motiviert ist:
Hans-Jürgen Papier, Präsident des Bundesverfassungsgerichts
Beitrag bei „Das Parlament“ am 6. April 2009:
„Eine weitere Möglichkeit, dem Bürger mehr politische Gestaltungsmacht zu geben, wäre ein Gesetzesinitiativrecht, wie es der Vertrag von Lissabon auf EU-Ebene vorsieht. […] Würde eine vergleichbare Möglichkeit auf Bundesebene eröffnet, hätten nicht mehr nur Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung das Recht zur Einleitung eines Gesetzgebungsverfahrens; vielmehr könnte ein solches auch vom Volk initiiert werden.“
Auch in einem Radio-Beitrag im Bayerischen Rundfunk am 6. Juli 2008 sprach sich Papier für Direkte Demokratie auf Bundesebene aus.
Quelle:
volksentscheid.deHerr Papier scheint also doch nicht so grundsätzlich anderer Auffassung zu sein als Frau Lübbe - W.. Die den Anlass für diesen thread bildende Äusserung von ihm kann folglich nur dem Parteibuch - Ticket geschuldet sein.