Paul Ronzheimer ( facebook)
Es gibt keine Frage, die mir aus Deutschland häufiger gestellt wird – und die ich genauso häufig selbst in der Ukraine stelle:
WANN endet der Krieg in der Ukraine und WIE?
In den vergangenen Wochen haben wir mit mehreren dutzend ukrainischen Offiziellen, deutschen Politikern und US-Militärs über diese eine Frage gesprochen.
► Was alle eint: Ein Datum gibt es nicht, niemand will sich festlegen!
Während Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj (45) und seine Minister in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, dass sie in diesem Jahr den Krieg gewinnen können, samt Rückeroberung der Krim, sind alle Offiziellen aus der Ukraine in internen Gesprächen sehr viel vorsichtiger: „Es kann auch noch mehrere Jahre dauern!“, sagte ein Regierungsmitglied.
Momentan fokussiert sich der Blick auf Bachmut. Die meisten Beobachter gehen davon aus, dass sich die Ukraine innerhalb von Tagen, aber in jedem Fall von Wochen, komplett wird zurückziehen müssen. Nur was bedeutet das für die Soldaten vor Ort? Und war es das alles wert?
Darüber gibt es unterschiedliche Analysen. Die einen sagen, dass die Ukraine sich schon viel früher hätte zurückziehen müssen, weil Bachmut kein strategisch wichtiger Ort ist. Die anderen glauben, dass den Russen in der Schlacht so erhebliche Verluste beigefügt wurden, dass weitere russische Offensivbemühungen schwierig werden für die nächsten Wochen.
Verwiesen wird vor allem darauf, dass Russland massiv Panzer und gepanzerte Fahrzeuge verloren habe, die nicht so schnell zu ersetzen seien.
Klar ist in jedem Fall: Die Einnahme von Bachmut wäre ein psychologisches Momentum für Russland, würde die Möglichkeit ergeben, Anspruch aus den gesamten Donbass zu erheben und größere Angriffe auf Kramatorsk und Slowjansk zu starten. Angesichts der Tatsache, dass der Krieg um Bachmut bereits mehr als sechs Monate dauert, ist hier aber keine schnelle Entwicklung zu erwarten.
► Auch im Westen wird die Situation in Bachmut genau beobachtet. „Wir sehen in diesen Tagen: Russland gewinnt Meter um Meter, nicht viel, aber sie gewinnen eben. Die Taktik der menschlichen Wellen geht momentan auf“, sagte ein deutscher Regierungsbeamter.
Sorge macht dem Westen, dass nicht nur Russland erheblich Verluste erleidet, sondern eben auch die Ukraine, gerade bei gut ausgebildeten Soldaten.
Panzer-Offensive im April
Der entscheidende Blick im Westen richtet sich aber nicht hauptsächlich auf Bachmut, sondern mehr auf die Gegenoffensive, die ab April auch mit westlichen Panzern starten soll. Die Ukraine hat mit Überraschungs-Momenten im Herbst dafür gesorgt, dass weite Teile der Region Charkiw zurückerobert wurden.
Im Westen hofft man, dass die Ukraine erneut dazu fähig ist, insbesondere im Süden des Landes rund um Melitopol Gebiete zurückzuerobern. Allerdings wird vorwiegend aus den USA darauf verwiesen: Die Russen haben dazu gelernt. So sind die russischen Verteidigungsanlagen im Süden in den vergangenen Monaten massiv ausgebaut worden, sie sind also kein Vergleich zu dem, was Russland der Ukraine im Herbst entgegengesetzt hat.
Der Krieg ab April könnte für die Ukraine schon eine Art Entscheidungs-Schlacht werden.
► Nur wenn die Armee erfolgreich ist, so heißt es aus verschiedenen Quellen, werden die USA und andere Länder bereit sein, den Weg mit VIEL Hilfe weiterzugehen.
Heißt: Hunderte Panzer, massiv Munition und Kampfjets.
Scheitert die ukrainische Gegenoffensive, könnte es auf die Ukraine Druck geben zu verhandeln, auch wenn sich Deutschland damit öffentlich zurückhalten würde. Alle Augen wären dann auf US-Präsident Joe Biden (80) gerichtet, der sich wegen des US-Wahlkampfs allerdings in einer schwierigen Phase wiederfinden könnte.
Ex-US-Präsident Donald Trump (76), der erneut antreten will, fordert bereits die Einstellung der Militärhilfe und Verhandlungen.
Ukrainer wollen keine territorialen Zugeständnisse machen
Das Verhalten des Westens wird in der Ukraine mit Unverständnis betrachtet: „Erst lieferten sie nichts, dann zu wenig, dann zu spät – und jetzt wollen sie einen schnellen Sieg. Wie soll das gehen?“, fragte ein Offizieller.
Die Ukrainer haben sichtbar Sorge, dass immer mehr von ihnen verlangen könnten, zu verhandeln, was aus Sicht von Selenskyj schwer umsetzbar ist. Laut aktuellen Umfragen wollen 87 Prozent der Ukrainer keinerlei territoriale Zugeständnisse an Russland machen.
►In einem BILD-Interview sagte Verteidigungsminister Oleksij Resnikow (56) in der vergangenen Woche, dass es niemals Verhandlungen mit Putin geben könne und dass er optimistisch sei, die Ukraine könne das gesamte Land dieses Jahr zurückerobern.
Fakt ist: Weder in Deutschland und den USA noch in der Ukraine passen öffentlich gemachte Aussagen zu den internen Gesprächen. In der Ukraine machen sie den Westen dafür verantwortlich, dass es nicht schnell genug geht bzw. man Gebiete wie Bachmut verlieren könnte. Im Westen sieht man es teilweise als Beleg dafür, dass etwa die Krim derzeit nicht zurückzuerobern ist.
Was lässt die Ukrainer dennoch positiv sein?
► Zum einen die russische Armee, die insbesondere technisch immer noch in einem miserablen Zustand ist. Dazu kommen die Machtkämpfe zwischen den verschiedenen Kreml-Gruppen sowie die mangelnde Moral.
„Wo war denn die große russische Winteroffensive? Es hieß doch, dass Russland selbst Kiew erneut angreifen könnte. Wir sehen die Schlacht von Bachmut, sonst nichts“, sagte ein ukrainischer Offizieller.
Allerdings: Vor einem Angriff auf Kiew hatte vor allem die politische Führung der Ukraine samt Selenskyj gewarnt im vergangenen Jahr.
Wann endet also dieser Krieg und wie?
Ein Ende des Krieges noch in diesem Jahr scheint angesichts der Situation an der Front und der politischen Lage momentan wenig wahrscheinlich. Wir müssen derzeit von einem sehr langen Krieg ausgehen …
https://www.facebook.com/paul.ronzheimerIch hoffe für die Ukrainer, dass der Krieg bald vorbei ist. Falls er bis nächstes Jahr geht, will Trump, falls er die Wahl gewinnt, kurzen Prozess mit der Ukraine machen
ich habe Bauchschmerzen.