https://www.watson.ch/wissen/schweiz/31 ... r-bechburgLebendig eingemauert: Der Geist des Raubritters spukt bis heute in der Oensinger Bechburg
Im ersten Teil unserer heimatlichen Gespenster-Serie haben wir den Basler Spiesshof besucht. Heute wollen wir uns auf die Bechburg in Oensingen begeben. Wir befinden uns im tiefen Mittelalter ...
«Niemand war zu seinen Lebzeiten vor ihm sicher. Männern und Frauen stellte er nach, und viel unschuldiges Blut klebte an seinen Fingern. Aber auch ihn erreichte der Arm der Gerechtigkeit.»
Elisabeth Pfluger, Solothurner Schriftstellerin und Sagensammlerin
Die Rede ist von Kuoni. Einem schändlichen Raubritter aus dem Geschlecht der Freiherren von Bechburg. Irgendwann im 14. Jahrhundert muss dieser unersättliche Kerl der Schrecken vieler Jungfrauen und rechtschaffener Bürger gewesen sein.
Er wohnte auf der Bechburg, die seine Vorfahren 1250 erbaut hatten. Oben auf den Felsen thront sie bis heute und schaut auf Oensingen hinunter. Ihren 30 Meter hohen Wehrturm kann man schon von Weitem sehen, wenn man mit dem Zug von Biel Richtung Olten fährt.
Der gefürchtete Kuoni aber wurde für seine Sünden hart bestraft. Zuerst von Gott, der ihn mit der Beulenpest schlug. Der Schwarze Tod schlich sich damals nicht nur in die Bechburg, seine mörderischen Klauen griffen nach ganz Europa und rissen einen Drittel der Bevölkerung mit sich.
Die Angst, sich bei dem Raubritter anzustecken, war gross, und so mauerte man ihn «bei lebendigem Liib» in das unzugängliche Häuschen ein, das an der Südseite des runden Wehrturms angebaut ist.
Durch einen schmalen Spalt hindurch reichten ihm die Knechte Essen und Trinken. Niemand sollte je wieder mit ihm in Berührung kommen. Eingemauert starb er den einsamen schwarzen Tod eines Aussätzigen. Vielleicht empfanden das die Oensinger als gerechte Strafe für einen Schuft seines Kalibers. Jedenfalls mauerte man auch den einzigen Spalt, der ihn als Dahinsiechenden noch mit der Welt verband, nach seinem Hingang zu.
«Die Seele des bösen Ritters hat aber bis heute noch keine Ruhe gefunden und geistert während gewissen Nächten in der Bechburg herum.»
Elisabeth Pfluger
Bis 2003 war Patrick Jakob Schlosswart in der Bechburg. Er lebte eigentlich ganz friedlich mit dem Gespenst von Kuoni zusammen. «Er ist ein guter Schlossgeist», sagt er. Er verriegelte zwar manchmal die Tür, wenn sich Jakob mit seinen Besuchern in den Wehrturm begab. Er hat den Raubritter auch schon im Studierzimmer herumgehen hören, als er einmal abends allein in der Küche sass. Als Jakob verschreckt hinaufrannte, war niemand zu sehen.
In den 1980er Jahren wollte die Denkmalpflege das Geheimnis um das tür- und fensterlose Kuoni-Häuschen endlich lüften. Würde man darin ein Skelett finden? Oder war es vielleicht sogar leer?
Mit Pickel, Schaufel und Kompressor bewaffnet, stiegen die Herren aufs Dach. Sie begannen die Ziegel zu entfernen, und als sie das Mauerwerk darunter sahen, zog plötzlich ein tosendes Gewitter von der Schwengimatt her auf. Der Himmel öffnete sich, liess Hagel auf die Erde prasseln und ein krachendes Donnergrollen begleitete den Blitz, der mitten in den Wehrturm einschlug. Kuoni liess nicht zu, dass man an seinem Häuschen herumdokterte. Er will seine Ruhe haben.
Das Team von «Menschen, Technik, Wissenschaft» des Schweizer Fernsehens besuchte 2002 die Bechburg. Im Wehrgang direkt unter dem Häuschen installierten sie ein Gerät, um den vermuteten Hohlraum, in dem Kuoni seine letzten Atemzüge getan hatte, zu röntgen. Das Gerät gab den Geist auf. Eilig wurde das Ersatzgerät hervorgekramt. Es gab auch den Geist auf. Und so zogen die Videoleute unverrichteter Dinge wieder ab.
Seither hat niemand mehr versucht, die Ruhe von Kuoni zu stören. Das ist auch gut so. Denn irgendwie scheint ihn das lange Herumwandeln auf der Bechburg sanft gemacht zu haben. Ein paar harmlose Streiche darf er den Besuchern doch spielen, nachdem er so ein grässliches Ende gefunden hat. Und schliesslich hat er nie einer jungfräulichen Besucherin unter den Rock gegriffen. Ob er allerdings mal unter einen geschielt hat, werden wir nie wissen.
Quellen: Hans Peter Roth, Niklaus Maurer: Orte des Grauens in der Schweiz, Elisabeth Pfluger: Solothurner Geistersagen, Schloss Neu-Bechburg