Sicherheit der Bürger

Hier wird das Problem des zunehmend mangelhaften Schutzes der Bürger vor Gewalttaten und dessen verfassungsrechtliche Relevanz erörtert. (Artikel 1 Abs. 1 Satz 2 GG)

Re: Sicherheit der Bürger

Beitragvon Uel » So 9. Okt 2022, 15:04



Alex, Du schriebst:
Natürlich muss der Strafanspruch des Staates in solchen Fällen zurücktreten. Allerdings handelt es sich hier um einen Kindermörder. Muss das Lebensrecht der Kinder, die dem Freigelassenen demnächst begegnen, auch irgendwohin abtreten?

Da erlaube ich mir leise Zweifel, auch juristische bzw. verfassungs- und menschenrechtliche.



Da verstehe man noch die Justiz und ich teile Deine Zweifel, Alex: da wird von einem ordentlichen rechtstaatlichem Gericht jemand verurteilt, und dann wartet man mit der Rechtskräftigkeit solange, bis der letzte Bedenkenträger seine Bedenken abgeschmettert bekommt, bevor man einen durch ein Gericht eines Rechtstaates mittels aufwändigem Verfahren verurteilten von der U-Haft in reguläre Haft überführen kann :?: :idea: :?: Wenn ein Urteil vor einem ordentlichen Gericht ergangen ist, dann sollte man das als Status Quo akzeptieren :idea: und später bei eventuell notwendiger Revision ersatzweise eine großzügige Haftentschädigung vorschreiben. Wär mal ein Thema für eine Bundestags-Petition.

Wenn dieser Verurteilte und jetzt Freigelassene nicht strohdumm ist, dann verschwindet er aus der Reichweite der deutschen Justiz, die Reisekasse kann er dann mit Raub aufbessern, das erhöht dann das Risiko auch nicht viel mehr.

Vielleicht sollte man auch mal kräftige Geldstrafen für Prozessverschleppung einführen, gültig für alle Prozessbeteiligten, einschließlich der staatlichen Beteiligten. Dann muss halt mal der Jahresurlaub verschoben werden, wer das nicht versteht sollte sich mal auf dem Bau oder der Landwirtschaft kundig machen. Da musste man schon auf der BER-Baustelle arbeiten, um mit diesen Prozessbeteiligten mithalten zu können, :lol: , die Normalos können das meist nicht. :shock:

Was allerdings den Sachverhalt Kind als Mordopfer juristisch gegenüber sonstigen Mordopfern unabhängig von dem üblichen Medienhype besonders macht, ist mir nicht ersichtlich. Denn Heimtücke wird die meisten naiven Mordopfer ereilen, gezielt in Situationen, in denen sie auch besonders wehrlos sind.

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Re: Sicherheit der Bürger

Beitragvon AlexRE » So 9. Okt 2022, 15:18

Ich nehme an, die werden den Kerl jetzt bis zur Rechtskraft des Urteils mit einem riesigen Aufwand polizeilich überwachen. Wenn der abtauchen oder weitermorden kann, wird ein monströser Skandal aus der Sache.
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Re: Sicherheit der Bürger

Beitragvon maxikatze » So 9. Okt 2022, 19:12

Alex schrieb:
Natürlich muss der Strafanspruch des Staates in solchen Fällen zurücktreten

Warum eigentlich? Ich bin kein Jurist, aber wenn ein Täter frei kommt, weil er zu lange in der U-Haft verbracht hat, verletzt das mein Rechtsempfinden - und wahrscheinlich auch das den Hinterbliebenen des Mordopfers.
Man könnte doch auch in diesen Fällen, die Zeit der U-Haft mit der zu erwartenden Haftstrafe gegenrechnen. Oder spricht etwas dagegen? Wie gesagt, bin kein Jurist.
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Re: Sicherheit der Bürger

Beitragvon AlexRE » Mo 10. Okt 2022, 01:08

maxikatze hat geschrieben:Alex schrieb:
Natürlich muss der Strafanspruch des Staates in solchen Fällen zurücktreten

Warum eigentlich? Ich bin kein Jurist, aber wenn ein Täter frei kommt, weil er zu lange in der U-Haft verbracht hat, verletzt das mein Rechtsempfinden - und wahrscheinlich auch das den Hinterbliebenen des Mordopfers.
Man könnte doch auch in diesen Fällen, die Zeit der U-Haft mit der zu erwartenden Haftstrafe gegenrechnen. Oder spricht etwas dagegen? Wie gesagt, bin kein Jurist.


Für Tatverdächtige in U-Haft gilt die Unschuldsvermutung. Man muss also abwägen, ob es vertretbar ist, einen Unschuldigen (!) wegen Flucht- oder Verdunkelungsgefahr einzusperren, um das Strafverfahren zu sichern. Wegen der Schwere dieses Eingriffs gilt hier aus verfassungs- und menschenrechtlichen Gründen der strafprozessuale Beschleunigungsgrundsatz:

https://www.juracademy.de/rechtsprechun ... atz-u-haft

Dieser wurde im Fall des mutmaßlichen Mädchenmörders hier grob verletzt.

Wenn es also nur um die Sicherung des Strafverfahrens ginge, wäre die Freilassung die richtige Entscheidung. In Mordfällen geht es aber um das Lebensrecht und die Menschenwürde eines möglichen weiteren Opfers. Deshalb muss man da m. M. n. ganz anders abwägen. Solche dringend Tatverdächtige müssten auch bei Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes inhaftiert bleiben und im Falle eines Freispruches eine sehr hohe besondere Haftentschädigung erhalten.
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Re: Sicherheit der Bürger

Beitragvon Uel » Mo 10. Okt 2022, 14:13

Für Tatverdächtige in U-Haft gilt die Unschuldsvermutung.


Das ist doch nicht das Problem. Das Problem ist die gleichbleibende "Unschuldsvermutung", die nicht mit dem schon inzwischen gegangenen Weg der Ermittlung bis zum Urteil "schuldig" zusammen passt. Der Grad der Unschuldsvermutung zum Beginn der Haft und der Aufnahme der Ermittlungen ist vermutlich nach dem Gerichtsurteil "Schuldig" um Dimensionen geringer geworden. Unabhängig davon, ob es formalistisch noch nicht in Kraft ist. Es wäre interessant zu erfahren, ob andere anerkannten Rechtstaaten dieses Problem überhaupt kennen.

Gilt dieser Unschulds-Vorbehalt auch bei "inflagranti" gefassten Tätern? Wo also die Täterschaft eindeutig feststeht, aber selbst das Urteil wegen Strafmaß oder sonstiger juristischer Nachrangigkeiten noch nicht rechtskräftig ist?

Wenn ja, dann lieben Juristen "Absurdistan".
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von Uel

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Re: Sicherheit der Bürger

Beitragvon AlexRE » Mo 10. Okt 2022, 16:41

Der Instanzenweg soll das Verfahren bzw. den Angeklagten vor Fehlern - auch groben bis kafkaesken Fehlern des erstinstanzlichen Gerichts schützen. Deshalb ist die Unschuldsvermutung nach dem ersten Urteil und vor dessen Rechtskraft grundsätzlich kein Formalismus.

In dem hier diskutieren Fall geht es in der Revisionsinstanz allerdings nur noch um den Vorbehalt der Verhängung von Sicherungsverwahrung nach Verbüßen der Strafe. Die Täterschaft selbst steht gar nicht mehr in Frage. Da könnte man vielleicht wirklich von Formalien reden, deren Einhaltung dem Staat wichtiger ist als das Lebensrecht und die Menschenwürdige eines möglichen weiteren Opfers.
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Re: Sicherheit der Bürger

Beitragvon Uel » Mo 10. Okt 2022, 19:06

geht es in der Revisionsinstanz allerdings nur noch um den Vorbehalt der Verhängung von Sicherungsverwahrung nach Verbüßen der Strafe. Die Täterschaft selbst steht gar nicht mehr in Frage.


... dann ist es ja noch schlimmer, als ich vermutete, ... plus Sicherungsverwahrung
Liebe Grüße
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Re: Sicherheit der Bürger

Beitragvon AlexRE » Di 11. Okt 2022, 11:29

Uel hat geschrieben:
geht es in der Revisionsinstanz allerdings nur noch um den Vorbehalt der Verhängung von Sicherungsverwahrung nach Verbüßen der Strafe. Die Täterschaft selbst steht gar nicht mehr in Frage.


... dann ist es ja noch schlimmer, als ich vermutete, ... plus Sicherungsverwahrung


Die Staatsanwaltschaft hat Revision eingelegt und verlangt ein Urteil mit dem Vorbehalt der Verhängung von Sicherungsverwahrung. Die zur Freilassung führenden Verzögerungen sind nur durch das Gericht und die StA verursacht worden. Verschleppungstaktiken der Verteidigung spielen hier keine Rolle.
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Re: Sicherheit der Bürger

Beitragvon AlexRE » Mo 5. Dez 2022, 17:24

Einfach mal so Kinder auf dem Schulweg erstechen:

https://www.sueddeutsche.de/panorama/il ... -1.5709527

Ich tippe auf einen psychisch Schwerkranken. Das werden wir ja bald erfahren.
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Re: Sicherheit der Bürger

Beitragvon Staber » Mo 5. Dez 2022, 17:36

Ich tippe auf einen psychisch Schwerkranken


Moin!
Ja Alex, wenn man alle Straftaten auf die Psyche abtut, sieht es schlecht aus .Es gab eine Zeit, in der man seinen Schulkindern nur beibringen musste, wie sie sich, auf dem Schulweg, sicher im Straßenverkehr bewegen und dass sie auf gar keinen Fall in ein fremdes Auto einsteigen dürfen. Diese Risiken konnte ein Schulkind selbst aktiv minimieren und man wähnte seine Kinder auf dem Schulweg in Sicherheit.
Mittlerweile sind sie vor Angriffen nicht mehr geschützt. Ich trauere der Zeit hinterher, als Schulkinder noch nicht auf dem Schulweg abgezogen, erpresst oder überfallen wurden und als es noch keine Bedrohung durch Amokläufe gab.
Dieser Artikel ist maximal vage gehalten, was Spekulationen Raum gibt. Ich bin gespannt auf die Hintergründe. Den Mädchen wünsche ich gute Besserung. Hoffentlich können sie dieses Trauma bald verarbeiten und angstfrei zur Schule gehen.
"Wir werden Ambos ,wenn wir nichts tun um Hammer zu sein."
Fürst Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen (1815-1898)

Gesund bleiben !
Gruß Staber
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