Es geht weiter "bergab" mit der Sicherheit der Bürger

Hier wird das Problem des zunehmend mangelhaften Schutzes der Bürger vor Gewalttaten und dessen verfassungsrechtliche Relevanz erörtert. (Artikel 1 Abs. 1 Satz 2 GG)

Es geht weiter "bergab" mit der Sicherheit der Bürger

Beitragvon Santo » Sa 28. Mär 2009, 19:02

:arrow: Nach einer Meldung vom heutigen Tage sind bereits 10% aller "Arbeitsunfälle" von Bahnbediensteten, inklusive Busfahrer(innen) auf Gewaltdelikte gegen die körperliche Unversehrtheit zurückzuführen.
Nunmehr steigt also, wie kürzlich veröffentlicht, nicht nur die Zahl derartiger Straftaten gegen Polizeibeamte, deren Berufsrisiko dies bedingt ist, sondern in erheblichem Umfang auch deren Ausmaß gegen "Normalbürger" an exponierter Stelle.

Ist das verwunderlich, angesichts einer politischen Nomenklatur, die scheinbar gar nichts gegen derartige Vorkommnisse unternimmt und zahlreichen Justizvertretern, die nicht bereit sind solche Straftaten konsequent zu ahnden? In Anbetracht des Umfangs von Untätigkeit, Nachlässigkeit und sogar Inkompetanz in Kreisen der Verantwortlichen kann hier kaum von einer überraschenden Entwicklung die Rede sein. Sicherlich sind die soziologischen und psychologischen Grundlagen derartiger Vorkommnisse weitaus komplexer als es hier den Anschein hat, doch entbindet das die Verantwortlichen ganz sicher nicht von dem recht erheblichen Teil Ihrer Mitverantwortung daran.

Wer es zulässt, dass seit vielen Jahren Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit im Vergleich zu anderen, beispielsweise Vermögensdelikten, in keinem angemessenen Verhältnis geahndet werden, ist zweifellos dafür mitverantwortlich, dass das allgemeine Rechtsempfinden deutlich gelitten hat.
:arrow: Ohne zu übertreiben kann man konstituieren, dass der Respekt gegenüber dem Leben als solchem und der körperlichen Unversehrtheit anderer niemals zuvor, Zeit des Bestehens dieses Staates, so gering ausgeprägt war wie heute, und er sinkt weiter...

Angesichts des Ausmaßes der Untätigkeit der Verantwortlichen, gepaart mit einer inkonsequenten "Weichzeichnermentalität" in weiten Kreisen von Politik und Justiz, welche potentielle Straftäter förmlich zur Begehung solcher Straftaten einlädt, die die soziale Struktur immer weiter untergraben, ist auch gegen die Verantwortlichen ein höheres Maß an Konsequenz dringend erforderlich. Das beinhaltet jedoch auch die Tatsache, dass sich auch die Bürger dieses Landes nicht gemütlich in ihren Fernsehsessel zurücklehnen dürfen, was sie nur allzu gerne tun, sondern dass jede Einzelperson ihrer persönlichen Verantwortung gegenüber einem funktionablen Sozialsystem gerecht werden sollte, oder sogar muss, indem sie alles ihr zumutbare unternimmt, um die notwendigen Konsequenzen zur Aufrechterhaltung der Funktionabilität herbeizuführen, was z.B. darin bestehen kann, andere aufzurütteln oder Verantwortliche abzuwählen. Niemand, der sich alles gefallen lässt, hat das Recht, sich später darüber zu beschweren, dass die Dinge aus dem Ruder gelaufen sind. Oder für alle verständlich, etwas einfacher ausgedrückt: Wer den Kopf in den Sand steckt, darf sich nicht wundern wenn er in den 'Allerwertesten' getreten wird... (und sich schon gar nicht darüber beschweren...)

Schon sind wir beim größten Dilemma dieses Landes angelangt, auf das man schon nach kurzer Zeit bei nahezu jedem Thema stößt, welches man im Zusammenhang mit diesem Staatswesen nur anschneiden kann, die Inkonsequenz überall dort, wo Konsequenz erforderlich wäre. Ob beispielsweise Verabschiedung 'unausgegorener' Gesetze, Ausführung von Gesetzen und anderen Vorschriften mit mangelnder Konsequenz oder sogar 'täterfreundlich' gegen die bestehenden Regeln (Stichw. 'Bewährungsgeschenke'), das Ergebnis ist immer gleich und wäre mit minimaler Anstrengung der dafür vorhandenen natürlichen Ressourcen von nahezu jedem vorhersehbar, nämlich über kurz oder lang eine schwere Schädigung des Gesamtsystems in seinen Grundfesten.
Oder sollte ein Teil der Entwicklungen gar nicht mal so unabsichtlich sein?

Damit eröffnet sich auch das Grundproblem jeden demokratischen Systems: "Viele Köche verderben den Brei".
:arrow: Anstatt Probleme zu lösen, werden diese oft nur zerredet und ihm schlimmsten Fall verstärkt, woraus sich wiederum neue, unter Umständen weit größere Probleme ergeben können, siehe Weltwirtschaftskrise, die jedoch weitgehend aus allgemein menschlichen Unzulänglichkeiten resultierte, als da wären u.a. Raff- und Machtgier fast pathologischen Ausmaßes...

:arrow: Damit soll die Demokratie als solche nicht in generellen Zweifel gezogen werden, da es momentan kaum ein besseres grundsätzliches System geben dürfte. Dennoch ist dringend anzumahnen, unabänderlich und offensichtlich notwendige Verbesserungen umgehend vorzunehmen, um einen weiteren, sonst unabänderlich eintretenden Zerfall aufzuhalten...
Wir müssen die Veränderung sein, die wir in der Welt sehen wollen.

Mahatma (Mohandas Karamchand) Gandhi (Indischer Philosoph, Pazifist, Menschenrechtler, Rechtsanwalt und Staatsmann)
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Re: Es geht weiter "bergab" mit der Sicherheit der Bürger

Beitragvon AlexRE » Fr 15. Mai 2009, 11:07

Santo hat geschrieben:Wer es zulässt, dass seit vielen Jahren Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit im Vergleich zu anderen, beispielsweise Vermögensdelikten, in keinem angemessenen Verhältnis geahndet werden, ist zweifellos dafür mitverantwortlich, dass das allgemeine Rechtsempfinden deutlich gelitten hat. Ohne zu übertreiben kann man konstituieren, dass der Respekt gegenüber dem Leben als solchem und der körperlichen Unversehrtheit anderer niemals zuvor, Zeit des Bestehens dieses Staates, so gering ausgeprägt war wie heute, und er sinkt weiter...



Die Krux ist eben, dass Betrüger und Diebe planvoll ihren Vorteil suchen und deswegen auch Risiken einkalkulieren, empfindliche Strafandrohungen erzielen in diesem Bereich eine gewisse Wirkung.

Wer aber nur für den Kick, Gewalt und Willkür gegenüber anderen Menschen üben zu können, überhaupt eine Gefängnisstrafe und hohe Schulden auf Grund von Schadensersatz - und Schmerzensgeldansprüchen riskiert, handelt derart irrational, dass auch noch deutlich höhere Strafandrohungen wenig ausrichten können und bei einem an der hohen Wertigkeit der durch Gewalttäter bedrohten Rechtsgüter orientierten Strafmaß wieder grundsätzliche Verfassungs - und Menschenrechtsfragen aufwerfen.

Auch deshalb gefällt mir die Idee mit der Insellösung immer besser. Wenn man gefährliche Gewaltkriminelle im Schonverfahren von den Bedrohten isolieren kann, ist das vielleicht auch für eine zeitweise Isolierung von allen möglichen Gewalttätern geeignet, die nicht in lebenslänglicher Sicherungsverwahrung sind, sondern nur für eine längere Zeit als bisher übelich auf Nr. sicher gebracht werden sollen.

Schon die Bilder von der norwegischen Gefängnisinsel Bastoy gesehen? Ich finde die Gegend wirklich wunderschön und gönne jedem selbsternanntem Herrn über die körperliche Integrität seiner Mitmenschen einen sehr langen Urlaub dort, Standardzusatzurlaub zum Gefängnisaufenthalt von z. B. 5 Jahren bei jeder rechtskräftigen Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung, bei schwerer KV oder gar Tötungsdelikten 10 Jahre. Je länger diese Früchtchen aus den Augen und aus dem Sinn ihrer Opfer oder deren Hinterbliebener sind, desto besser.
Der Stuttgarter OB Rommel:

Ich trete überall, wo das notwendig ist, der Meinung entgegen, der Umstand, dass die Diktatur zu allem fähig war, berechtige dazu, die Demokratie zu allem unfähig zu machen.
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Re: Es geht weiter "bergab" mit der Sicherheit der Bürger

Beitragvon AlexRE » Fr 15. Mai 2009, 11:07

Hier ein Link zu einem Spiegel - Online - Interview mit dem ehemaligen Verfassungsrichter Winfried Hassemer, das m. M. n. geeignet ist, die politisch - ideologischen Hintergründe von Fehlentwicklungen bei der Gewaltprävention zu beleuchten. Selbst so eine juristische Kapazität wie Herr Hassemer verheddert sich in den Fallstricken einer eingeschliffenen einseitig täterbezogenen Sichtweise im Strafrecht.

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,624304,00.html

Textauszug:

SPIEGEL ONLINE: In Deutschland leben viele Menschen, die unter ganz anderen Normen aufgewachsen sind und die sich anderen Normen als unseren westlichen verpflichtet fühlen - Stichwort Ehrenmord. In welcher Form und wie weit soll oder darf unser Strafrecht darauf Rücksicht nehmen?

Hassemer: Meine Meinung ist da vielleicht ein bisschen anders als die der Mehrheit. Ich finde, bei einer derartigen Tat müssen auch der soziale Kontext und die Sozialisation des Täters bedacht werden. Er lebt vermutlich nach anderen sozialen Mustern. Deshalb muss man auch einen Verbotsirrtum in Erwägung ziehen.
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