WELT - "Natürlich war es ein Putschversuch!""Natürlich war es ein Putschversuch. Was denn sonst? Der amerikanische Präsident hatte die Wahlen verloren — nicht etwa knapp, sondern sehr deutlich. Er weigerte sich, das Wahlergebnis anzuerkennen. Als das nichts fruchtete, ließ er das Wahlergebnis von seinen Anwälten anfechten. Ihre Klagen wurden abgewiesen, weil es nicht den geringsten Hinweis auf Wahlbetrug gab — auch nicht, nachdem die Stimmen in mehreren Bundesstaaten drei Mal von Hand nachgezählt worden waren.
Trump rief zum Marsch auf das Kapitol aufAlso zogen Getreue des Präsidenten vor den Obersten Gerichtshof in Washington, um das demokratische Wahlergebnis für null und nichtig zu erklären.
Als der Oberste Gerichtshof sich weigerte, die absurde Klage auch nur anzuhören, forderte der Präsident den Vizepräsidenten zum Gesetzesbruch auf: Er sollte ihn im Kongress, wo er zeremoniell die Auszählung der Wählerstimmen überwacht, unter Missachtung des Willens der Wähler einfach zum Sieger ernennen. Als der Vizepräsident sich weigerte, stellte der Präsident sich vor einen Mob seiner Anhänger und forderte sie zum Marsch aufs Kapitol auf.
Der Rest ist bekannt: verwüstete Büros, Blut auf einer Statue, Fotos von Randalierern mit der Kriegsflagge der Konföderierten und Hoodies, auf denen „Camp Auschwitz“ und „Sechs Millionen waren nicht genug“ stand. Fünf Tote.
Die Hinweise mehren sich, dass es Pläne gab, Senatoren und Kongressabgeordnete zu kidnappen, der Vizepräsident sollte wahrscheinlich ermordet werden.[...] Vor ein paar Monaten hatten rechtsradikale Terroristen den Plan, die demokratische Gouverneurin des Bundesstaates Michigan zu entführen und umzubringen.
Der Präsident verurteilte die Terroristen damals keineswegs, er ermunterte sie. [...] Erinnern wir uns an die Trump-Veranstaltungen, auf denen der Präsident seine Anhänger dazu aufrief, Gegner zu verprügeln. Der Putschversuch vom 6. Januar 2021 wurde in aller Öffentlichkeit vorbereitet: Rechtsradikale Terroristen verabredeten sich im Internet, es gab sogar T-Shirts, die mit „Bürgerkrieg am 6. Januar“ bedruckt waren.
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Donald Trump hatte zu keinem Augenblick die charakterliche Fähigkeit, amerikanischer Präsident zu sein — spätestens vor einem Jahr hätte er aus dem Amt entfernt werden müssen. Hunderttausende Amerikaner, die der Covid-Seuche erlegen sind, könnten noch am Leben sein, wenn das Impeachment-Verfahren gegen ihn nicht von republikanischen Senatoren gestoppt worden wäre.
Mittlerweile gibt es immer mehr Kommentatoren, die fordern, Trump wenigstens jetzt aus seinem Amt zu vertreiben, eine gute Woche, bevor er ohnehin das Weiße Haus räumen muss. Jene, die das fordern, haben recht. [...]
Republikaner sind ein Verein mit faschistischen ZügenLaut einer Umfrage von „Newsweek“ unterstützen 45 Prozent der Republikaner den Putschversuch vom 6. Januar. Das klingt nach viel, aber in Wahrheit handelt es sich um einen Bruchteil der amerikanischen Bevölkerung: Mittlerweile gibt es in den Vereinigten Staaten mehr unabhängige Wähler als Mitglieder der Republikanischen Partei.
Aber jene 45 Prozent verweisen doch auf ein tieferes Problem: Die Republikaner haben sich zu großen Teilen in einen autoritären Verein mit faschistischen Zügen verwandelt. Auch nach dem Putschversuch hielten sechs Senatoren und 130 Kongressabgeordnete ihren Widerstand gegen das demokratische Wahlergebnis — das sie im Kongress lediglich auszuzählen, nicht zu bewerten hatten — aufrecht.Mit anderen Worten, die Putschisten haben Verbündete im Kongress: an erster Stelle die Senatoren Ted Cruz aus Texas und Josh Hawley aus Missouri. Wenn diesen Leuten gestattet wird, sich weiterhin im Kongress aufzuhalten, als wäre nichts gewesen, dann hat die amerikanische Demokratie ein ernsthaftes Problem. Und wenn die Mitglieder jenes Mobs, der den Kongress verwüstet hat, nicht aufgespürt, verhaftet, vor Gericht gestellt und zu hohen Haftstrafen verurteilt werden, haben wir ein Problem. Man stelle sich vor, jener Mob, der am 6. Januar das Kapitol stürmte, hätte aus schwarzen „Black Lives Matter“-Demonstranten bestanden: Viele von ihnen wären ohne große Diskussionen über den Haufen geschossen worden.
Die Botschaft: Ihr dürft, KameradenDie Gefahr ist noch keineswegs vorüber. Denn aus der Sicht von Trumps Anhänger war der Putschversuch vom 6. Januar ein Erfolg: Niemand hielt sie auf, als sie das Kapitol stürmten, ihre Gesichter wurden im Fernsehen gezeigt, ihre Senatoren und Abgeordneten vertreten weiterhin ihr Anliegen, auf Fox News werden sie weiterhin als Leute mit einem berechtigten Anliegen behandelt. Und Donald Trump sitzt weiterhin im Weißen Haus.
Die Botschaft lautet: Ihr dürft, Kameraden. Ihr dürft randalieren und Gewalt anwenden, ihr dürft der amerikanischen Demokratie ins Gesicht spucken, ihr dürft Senatoren und Kongressabgeordnete und Journalisten, die euch nicht gefallen, als Todfeinde behandeln."Siehe dazu die Quelle:https://www.msn.com/de-de/nachrichten/p ... li=BBqg6Q9Siehe dazu auch die ebenfalls nachvollziehbare Analysestern - "Sturm aufs Kapitol: Die USA sind haarscharf an einem Staatsstreich vorbeigeschrammt - sagt ein Historiker"https://www.msn.com/de-de/nachrichten/o ... li=BBqg6Q9Kommentar
Dem oben angeführten Kommentar kann ich mich in weiten Teilen anschließen. Nur ein Impeachment-Verfahren macht jetzt schon aus zeitlichen Gründen keinen Sinn mehr. Dennoch könnte man Trump wohl für reihenweise Straftaten bis hin zu Verbrechen auch ohne ein solches Verfahren anklagen und wahrscheinlich auch verurteilen. Aber werden die bislang viel zu verweichlichten Behörden dort das Rückgrat haben das auch zu tun? Ich habe da so meine Zweifel.
Ein besonderes Problem stellen bei der notwendigen US-Reform die Kontakte der radikalen mutmaßlich Kriminellen bis in höchste politische Kreise dar. Und an der Stelle dürfte das "Ausmisten" in einem angeblich demokratischen Rechtsstaat ziemlich schwierig werden, wie man an der Tatsache sieht, dass man einen mutmaßlich kriminellen Präsidenten rechtmäßig kaum loswerden kann.