FOCUS ONLINE Gesundheit - „Sachlich nicht möglich“ -Rechtsexperten erklären, warum Merkel keinen zweiten Lockdown befehlen darf""Dienstag, 20.10.2020, 16:59
Mit den steigenden Infektionszahlen werden auch die Sorgen über einen zweiten Lockdown größer. Die Wirtschaft fürchtet um die Existenz vieler Gaststätten und Geschäfte. Doch Rechtsexperten sagen: Die Bundeskanzlerin kann gar nicht einfach so einen erneuten Lockdown verhängen.
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Rechtsexperte über erneuten Lockdown: „Bundesweite Vorschrift kompetenziell und sachlich nicht möglich“Droht jetzt tatsächlich bundesweit ein erneuter Lockdown? Gegenüber der "Welt" erklärte Rechtsexperte Ferdinand Kirchhof, dass "eine bundesweite Vorschrift kompetenziell und sachlich nicht möglich" sei. Kirchhof war bis 2018 Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts - weiß also, wovon er redet.
[...] Zum einen seien die Hürden dieses mal höher als beim ersten Lockdown, die Gefährdung der Gastronomie, Tourismus- und Einzelhandelsbranchen durch eine Schließung erheblich größer. Gegenüber der "Welt" verwies er außerdem auf die in Artikel 12 des Grundgesetzes festgeschriebene Berufsfreiheit. Erneute Einschränkungen müssten laut Kirchhoff gegenüber anderen verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern abgewogen werden.
Argumente von Politikern rechtlich nicht ausreichendAuch das Argument vieler Politiker, die sich beim Verhängen der Maßnahmen etwa auf die Belastung der Intensivstationen beziehen, hält er für unzureichend.
„Eine allgemeine Überforderung des Gesundheitssystems kann keine Rechtfertigung liefern. Dann muss man vielmehr schnell neue Kapazitäten schaffen“, sagte er der "Welt". Zudem sollten die Regeln keine erzieherischen Ziele verfolgen, sondern dürften nur auf die Bekämpfung der konkreten Gefahr ausgerichtet sein. Außerdem betonte er, wie wichtig die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen sei - auch bei regionalen Lockdowns.
Verfassungsrechtler Klaus Gärditz sprach ebenfalls mit der "Welt". Er bekräftigte die Forderung nach Verhältnismäßigkeit, betonte außerdem: „Es kommt für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung auf die weitere Entwicklung der Infektionszahlen und die ganz konkreten Maßnahmen an, die nicht pauschal, sondern nur gegenstands- und branchenspezifisch rational zu rechtfertigen sind.“ Gärditz ist Professor für öffentliches Recht an der Universität Bonn und stellvertretender Richter am Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen. Die Maßnahmen müssten "insbesondere erforderlich" und "nicht willkürlich" sein.
Forderung nach Verhältnismäßigkeit„Das erfordert eine Abwägung unter Berücksichtigung der verfügbaren Erkenntnisse“, sagte auch Gertrude Lübbe-W. der "Welt". Sie war zwischen 2002 und 2014 Richterin am Bundesverfassungsgericht. Dass die Gerichte etwa in der vergangenen Woche beim Beherbergungsverbot so schnell eingeschritten seien, begrüßt Lübbe-Wolf. [...]."
Siehe dazu die Quelle:https://www.focus.de/gesundheit/coronav ... 62766.htmlKommentar
Geht's eigentlich noch? Kirchhoff nimmt Tote in Kauf, um seine sch... Berufsfreiheit zu bevorzugen? Nicht einmal die allgemeine Überforderung des Gesundheitssystems soll ausreichen um mit einem Lockdown viele weitere Sterbefälle zu verhindern? Und was ist damit, dass oft nur über konsequente erzieherische Maßnahmen die Einhaltung der Regeln durch viele Bürger zu erreichen und damit die konkrete Gefahr zu mindern ist? Der Mann negiert Realitäten. Gut, dass der nicht mehr beim Bundesverfassungsgericht ist.
Dann ist da noch eine ehemalige Bundesverfassungsrichterin, die das Antreiben der Pandemie durch Gerichte befürwortet, denn darauf läuft ihr Statement hinaus. Was ist in diesem Land los? Ist das Wertegefüge schon so ruiniert, dass das Leben an sich und die Körperliche Unversehrtheit anscheinend bei einigen keinen Wert mehr haben? Natürlich ist Verhältnismäßigkeit wichtig, doch können finanzielle Werte niemals den des Lebens erreichen.
Zwar ist die Anzahl Toter jetzt noch relativ gering. Aber es ist völlig unzweifelhaft, das aus der weiter steigenden Zahl an Neuinfektionen auch eine weiter steigende Todesrate resultiert. Und dafür sind solche Leute dann mehr oder minder direkt mitverantwortlich, die dahingehende Entscheidungen getroffen haben, dass der negative Fortgang der Pandemie so stattfinden kann.
Verfassungsrechtler Gärditz liegt zwar grundsätzlich richtig mit seiner Rechtsansicht, doch übersieht er, dass bei einer exponentiellen Steigerung der Infektionsrate lokal begrenzte und/oder branchenspezifische Maßnahmen schnell de factogar nicht mehr möglich sind. Er sollte doch intelligent genug sein, die Erfahrungen aus anderen Ländern zu berücksichtigen.
Die Pandemie hat uns schon jetzt schonungslos die kardinalen Schwachstellen unseres Rechtssystems aufgezeigt. Wie schon mehrfach erwähnt, ist der wichtigste Punkt, den wir aus der Pandemie zu lernen haben, der, dass unser Rechtssystem für derartigen übergesetzlichen Notstand absolut ungeeignet ist. Wir benötigen dringendst für solche Fälle ein klar systematisches Notstandsrecht mit gebündelter Kompetenzregelung, um umfassendes. schnelles und effizientes Handeln zu ermöglichen. Was hier gerade abläuft ist absolut desaströs.
In der Theorie ist es gut, die Parlamente über wichtige Fragen der Grundrechtseinschränkungen entscheiden zu lassen. Doch in der harten Realität einer solchen Gesundheitsbedrohung völlig untauglich, da ein Virus sich weder um eine Parlamentsdebatte oder das dann notwendige Gesetzgebungsverfahren schert, sondern sich weiter ausbreitet. Dieses Vorgehen dauert einfach viel zu lange und ist daher in der gegenwärtigen Situation absolut untauglich. Deshalb benötigen wir ein Notstandrecht für Gesundheitsbedrohungen in dem von vornherein festgeschrieben ist, wann welche Grundrechte deshalb wie weit eingeschränkt werden dürfen. An dem Punkt sind uns andere demokratische Länder weit voraus.