Die Europa-Sperrklausel ist gekippt!

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Die Europa-Sperrklausel ist gekippt!

Beitragvon Staber » Mi 26. Feb 2014, 14:44

Das Bundesverfassungsgericht hat die Drei-Prozent-Hürde bei Europawahlen für verfassungswidrig erklärt. Damit gibt es am 25. Mai 2014 keine Sperrklausel mehr. Etwas mehr als ein Prozent reicht.
http://www.freiewelt.net/die-europa-spe ... -10025717/

Ich sage mal ....Geschrei um eine Marginale, auf deutsch " am Rande"!
Deutschlands Anteil im EU Parlament beträgt etwa 13% der Abgeortneten. Nach meinem Wissen! Sollten die sogenannten SONSTIGEN nunmehr tatsächlich auf sagen wir mal 20% kommen, dann entspräche das gerade einmal 2,6% des gesamten Parlaments.
Die Phantasien, dass diese 2,6% womöglich alle zusammen mit den Rechtsradikalen an einem Strang ziehen und damit die Demokratie aus den Angeln heben, ist schon aus politischen Gesichtspunkten völlig abwegig, es ist zudem eine rechnerische Unmöglichkeit.
Um nennenswerten Einfluss ausüben zu können, müssten diese SONSTIGEN zu deutlich größeren Anteilen anwachsen. Dann hätten etliche von Ihnen ohnehin mehr als 3%, so dass die Abschaffung dieser Hürde gar keinen Unterschied ausmacht. Liege ich da richtig in meiner Annahme?
Was mich an dieser Europapolitik ganz besonders abschreckt ist die Tatsache, dass ich niemanden kenne, der mir sagen kann, welche Befugnis das EU Parlament eigentlich hat gegenüber den anderen Gremien:
EU Kommission
Rat der EU
Europäischen Rat
Nationalen Regierungen
Europäische Zentralbank
Es bleibt nur die Gewissheit: "Wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie längst verboten. ;)

MfG
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Re: Die Europa-Sperrklausel ist gekippt!

Beitragvon AlexRE » Mi 26. Feb 2014, 16:00

Jede Sperrklausel ist ein Eingriff in die Verfassungsrechtsgüter "Wahlrechtsgleichheit" und "Chancengleichheit der politischen Parteien", der nur in Abwägung mit einem höherrangigen Interesse wie der Wahrung der Funktionsfähigkeit des Parlaments legal sein kann. Eine solche Notwendigkeit hat das BVerfG hier nicht gesehen:

(...)

4. Nach diesen Maßstäben ist die Drei-Prozent-Sperrklausel (§ 2 Abs. 7
EuWG) mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 GG unvereinbar. Der Senat hat
im Urteil vom 9. November 2011 festgestellt, dass die bei der Europawahl
2009 gegebenen und fortbestehenden tatsächlichen und rechtlichen
Verhältnisse keine hinreichenden Gründe bieten, die den mit der
Fünf-Prozent-Sperrklausel verbundenen schwerwiegenden Eingriff in die
Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit der
politischen Parteien rechtfertigen. Eine maßgebliche Veränderung der
tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse ist seither nicht
eingetreten. Die Drei-Prozent-Sperrklausel findet keine Rechtfertigung
im Hinblick auf zu erwartende politische und institutionelle
Entwicklungen und damit verbundene Änderungen der Funktionsbedingungen
des Europäischen Parlaments in der nächsten Wahlperiode.

(...)


https://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg14-014.html


In der Rechtsprechung zur 5 % - Hürde in Deutschland hat das BVerfG die gegenteilige Interessenabwägung vorgenommen, aber dabei betont, dass eine Änderung der politischen Verhältnisse in Deutschland in der Zukunft eine neue Interessenabwägung erforderlich machen könnte, nach der dann die 5 % - Hürde möglicherweise verfassungswidrig wäre:

Rechtsprechung

Das Bundesverfassungsgericht erklärte 1990 die Fünf-Prozent-Sperrklausel auf Bundesebene in seiner bisherigen Rechtsprechung grundsätzlich für verfassungsgemäß, da es ein funktionsfähiges Parlament als ein höheres Gut ansah als die exakte Widerspiegelung des politischen Willens der Wähler. Es betont dabei aber, dass „die Vereinbarkeit einer Sperrklausel mit dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl nicht ein für allemal abstrakt beurteilt werden kann“; die aktuellen Verhältnisse seien also zu berücksichtigen.[23] Bei Kommunalwahlen wurde die Fünf-Prozent-Hürde von einigen Verfassungsgerichten der Länder dagegen für unzulässig bzw. überprüfungspflichtig erklärt. Bereits kurz nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde vom Bundesverfassungsgericht eine Sperrklausel von 7,5 % in Schleswig-Holstein für verfassungswidrig erklärt.[24]


http://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%BCnf-Prozent-H%C3%BCrde_in_Deutschland

Dabei ist daran zu erinnern, dass die 5 % - Hürde in Deutschland seinerzeit auch im Lichte der Weimarer Erfahrungen mit dem maximalen parlamentarischen Arschlochfaktor beschlossen wurde:

Goebbels in einem Leitartikel des Völkischen Beobachter am 30. April 1928:

Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen. Wir werden Reichstagsabgeordnete, um die Weimarer Gesinnung mit ihrer eigenen Unterstützung lahmzulegen. Wenn die Demokratie so dumm ist, uns für diesen Bärendienst Freifahrkarten und Diäten zu geben, so ist das ihre eigene Sache. Uns ist jedes gesetzliche Mittel recht, den Zustand von heute zu revolutionieren.

(...)


http://www.wissen.de/lexikon/goebbels-joseph

Nachdem die ehemaligen Linksradikalen ohnehin bei Wahlen regelmäßig mehr als 5 % der Stimmen erzielen und außerdem zu einer demokratischen Partei mutiert sind, die nicht einmal mehr Anlass zur Beobachtung durch den Verfassungsschutz liefert, würde m. M. n. spätestens nach einem NPD - Verbot die Gravität der für die Verfassungslegalität der 5 % - Hürde nötigen hochrangigen Staatsinteressen gegen Null laufen.

Hinsichtlich derjenigen Kleinparteien, die weder rechts- noch linksradikal sind, besteht im Sinne des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips nicht nur kein wichtiges Staatsinteresse an deren Bann aus den Parlamenten, sondern es besteht im Gegenteil in diesem Sinne ein besonders hohes Interesse daran, dass Demokraten, die sich von dem Parteien - Establishment distanziert und neue Parteien gegründet haben, die für ihre Distanzierung maßgeblichen politischen Gesichtspunkte in den parlamentarischen Alltag einbringen können.

Die Gründe, aus denen verärgerte Demokraten neue Parteien aus dem Parteien - Establishment ausgründen, sind nämlich dieselben Gründe, aus denen viele Wahlberechtigte zu Nichtwählern werden. Die etablierten Berufspolitiker mittels einer 5 % - Hürde vor Belästigungen durch parlamentarische Redebeiträge von Kleinparteilern, die verärgerte ehemalige Wähler des Berufspolitiker - Establishments vertreten, zu bewahren, ist sicherlich in mancherlei Interesse.

Aber kein einziges dieser Interessen ist ein staatliches Interesse der Verfassungsdemokratie namens Bundesrepublik Deutschland. Die schwarz/gelb/rot/grünen Berufspolitiker sind nämlich nicht dieser Staat, auch wenn den meisten von ihnen die Einsicht in diese Tatsache irgendwann abhanden gekommen ist.
Der Stuttgarter OB Rommel:

Ich trete überall, wo das notwendig ist, der Meinung entgegen, der Umstand, dass die Diktatur zu allem fähig war, berechtige dazu, die Demokratie zu allem unfähig zu machen.
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Re: Die Europa-Sperrklausel ist gekippt!

Beitragvon Staber » Mi 26. Feb 2014, 18:31

@Alex
Die schwarz/gelb/rot/grünen Berufspolitiker sind nämlich nicht dieser Staat, auch wenn den meisten von ihnen die Einsicht in diese Tatsache irgendwann abhanden gekommen ist.


Besser kann man es nicht formulieren!
Was wir haben ist eine Form der milden Funktionärsdiktatur.

Zitat Wolfgang Koschnik
"Die Vertreter der politischen Parteien in den Parlamenten haben sich als Staat im Staat eingerichtet und den Staat zum Parteienstaat umgebaut. Dieses Machtkartell entscheidet über alles, was im Staat vor sich geht: über die Staatsschulden, das Bildungs- und Gesundheitswesen, über Steuern und Abgaben, Gerichtsstandorte und den Straßenbau. Fast unmerklich hat sich der Parteienstaat zum Machtmonopol entwickelt, das sich dem Volk - immerhin dem Verfassungssouverän - völlig entfremdet hat."

Richard von Weizsäcker fällte über die Fähigkeiten von Abgeordnetenmal ein vernichtendes Urteil:

Zitat Weizsäcker
Bei uns ist ein Berufspolitiker im Allgemeinen weder ein Fachmann noch ein Dilettant, sondern ein Generalist mit dem Spezialwissen, wie man politische Gegner bekämpft.


Und so ähnlich sieht das auch der Politikwissenschaftler Wilhelm Hennis:
Zitat Hennis
Die Malaise ist, dass die Politiker nicht mehr die Kenntnisse haben, die sie haben müssten. Sie kommen als Lehrer in den Bundestag und verstehen von nichts etwas - außer davon, wie man im Ortsverein seine Mehrheit organisiert. Zudem mangelt es ihnen an genau jenen Fähigkeiten, die nach Max Weber den guten Politiker auszeichnen: Augenmaß und Urteilskraft, dem "Pathos der Distanz"

Dementsprechend sieht es auch bei den Ministern mit der fachlichen Qualifikation eher düster aus. Hochqualifizierte kommen bei ihnen so selten wie bei den Abgeordneten vor. "Also sitzen um den Kabinettstisch viele Leute, die außerhalb der Politik eher Mühe hätten, in Spitzenpositionen zu kommen. Berufspolitiker sind Dilettanten der Politik. Das ist leider kein Wortspiel

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Re: Die Europa-Sperrklausel ist gekippt!

Beitragvon Sonnenschein+8+ » Do 27. Feb 2014, 10:01

Nachdem die ehemaligen Linksradikalen ohnehin bei Wahlen regelmäßig mehr als 5 % der Stimmen erzielen und außerdem zu einer demokratischen Partei mutiert sind, die nicht einmal mehr Anlass zur Beobachtung durch den Verfassungsschutz liefert, würde m. M. n. spätestens nach einem NPD - Verbot die Gravität der für die Verfassungslegalität der 5 % - Hürde nötigen hochrangigen Staatsinteressen gegen Null laufen.


ne ne, so einfach ist es dann doch wieder nicht. So einfach mal die NPD Abschaffen und dann haben wir ruhe ist leider ein Wunschdenken das ich spätesten wo sie im TV gebracht haben wie viel extremistische kleine Parteien wir haben und nicht bloß rechte sondern auch Linke. Ich habe nämlich gestaunt wo die das gebracht haben dass da auch noch ( ich weiss nicht wie viele) vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Hammer!! Es wäre zwar gut solche Parteien einfach zu verbieten, aber die kommen immer wieder. wir müssen eine Lösung finden. ich bin auch dafür dass dhe 5% Hürde abgeschafft wird aber zuerst bei uns erstmal und dann kann man weiter sehen. Nicht umsonst hat das BVerfG gesagt, man kann wenn es nicht klappt wieder 4% oder so machen. Die haben sich schon was dabei Gedacht ;) wie geschrieben ich möchte auch kleine Parteien drin haben aber ich möchte kein Chaos haben. Das haben wir ja jetzt schon Denn zu viel Köche verderben auch den Brei oder so ähnlich.Ich kann mir jetzt schon denken, dass nach der EU Wahl das Gebrülle wieder los geht. ;)
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Re: Die Europa-Sperrklausel ist gekippt!

Beitragvon Staber » Do 27. Feb 2014, 17:15

Noch mal zum Sperrklausen-Urteil. Ich nehme mal stark an , das die Wähler der etablierten Parteien sich durch das Urteil eher elektrisiert als demotiviert fühlen. Denn jeder der KEINE Deutsch-Nationalen im EU-Parlament sehen will, weis jetzt: Man muss diesmal unbedingt wählen gehen. Die 3%- Klausel sorgt jetzt nicht mehr zuverlässig dafür, das die NPD und Gesinnungsfreunde nicht rein kommen. Zudem erhöht sich der Druck auf die etablierten Parteien, sich mit den "kleinen" auseinander zu setzen. Schließlich ist die Kraft der Argumente effektiver, als jede Prozenthürde.
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Re: Die Europa-Sperrklausel ist gekippt!

Beitragvon AlexRE » Do 27. Feb 2014, 18:01

Staber hat geschrieben:Schließlich ist die Kraft der Argumente effektiver, als jede Prozenthürde.


Deshalb können Sperrklauseln auch nur dann verfassungsrechtlich zulässig sein, wenn durch die Anwesenheit von Kleinparteien und / oder (noch) nicht verbotenen radikalen Parteien die Funktionsfähigkeit des Parlaments massiv beeinträchtigt wird.

Davon kann derzeit weder auf deutscher noch auf europäischer Ebene ernsthaft die Rede sein. Wir sind nicht im Jahre 1930.
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