In Europa wird der Zusammenhalt der Währungsunion wichtiger als Rechtsstaatlichkeit. Das deutsche Verfassungsgericht öffnet dem Opportunismus die Tür.
26.05.2021
Joachim Starbatty
Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat den Antrag der Kläger, Einsicht in die Materialien zu nehmen, welche die Verhältnismässigkeit der ultraexpansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) nachweisen sollten, vorige Woche nach neunmonatiger Beratungszeit verworfen. Das ist eine brisante Wendung.
Vor gut einem Jahr, am 5. Mai 2020, hatte das Gericht in seinem aufsehenerregenden Urteil die Verhältnismässigkeit der mit dem Ankauf von Staatsanleihen verbundenen Nebenwirkungen auf den Prüfstand gestellt:
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«Erfolglos» waren die Anträge, weil das Gericht sie aus politischen Gründen nicht annehmen wollte. Hier ist es der Praxis des Europäischen Gerichtshofes gefolgt, der seine Urteile zur umstrittenen Geldpolitik bereits gefällt hatte, bevor der Sachverhalt vor Gericht verhandelt worden war.
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https://www.weltwoche.ch/ausgaben/2021- ... -2021.html
Joachim Starbatty, Professor em. der Universität Tübingen, war Mitglied des EU-Parlaments 2014–2019.