Flaschensammeln in Würde?
Jörg Friedrich 17. Dezember 2015 Arte-Fakten
Ist es würdelos, Pfandflaschen aus Mülleimern zu fischen?
Vor ein paar Jahren kam ein Designstudent aus Köln auf eine tolle Idee, die seither von einfühlsamen Menschen regelmäßig wieder in die Diskussion gebracht wird: Man sollte öffentliche Mülleimer doch mit Flaschenhaltern (so genannten Pfandringen) versehen. Damit kann man, so das Argument, armen Menschen, die darauf angewiesen sind, sich ein paar Euro mit dem Sammeln von Pfandflaschen zu verdienen, ihre Würde zurückgeben. Jawohl, es geht um nicht weniger als die Würde des Menschen, die bekanntlich unantastbar ist.
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Dass man sich bei dieser Tätigkeit die Hände schmutzig macht, dass man dabei im Abfall wühlt, macht die Sache noch nicht würdelos. Sowas machen viele andere Menschen auch.
Die Würdelosigkeit entsteht im Kopf des Beobachters, der für sich sagt: Das wäre nichts für mich. Durch diese Beurteilung hat er dem Mann am Mülleimer die Würde erst genommen, die er ihm sogleich per Pfandring zurückgeben will.
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http://diekolumnisten.de/2015/12/17/fla ... in-wuerde/
>> Durch diese Beurteilung hat er dem Mann am Mülleimer die Würde erst genommen, die er ihm sogleich per Pfandring zurückgeben will. <<
Das ist in diesem speziellen Fall richtig, bedarf aber m. E. einer näheren Begründung. Die Beurteilung alleine kann dem Beurteilten kaum die Würde nehmen, solange der Beurteilende nicht in einer offiziellen Funktion zum Urteilen berufen ist. Eine Meinung zum Thema "Menschen und Mülltonnen", die er nicht teilt, kann dem Beurteilten am Allerwertesten vorbeigehen.
Anders sieht es aus, wenn der Beurteilende öffentlich das Bild eines entwürdigten Menschen zeichnet, um sich selbst als Würderetter aufzuspielen und so den angeblich schutzbedürftigen Menschen als Vehikel für seine persönlichen Eitelkeiten oder auch als menschliche Ressource für eine "Kunst" - Performance benutzt. Jede Instrumentalisierung von Menschen durch Menschen hat das Potential einer Verletzung der Menschenwürde.
Die Grenze ist ganz sicher überschritten, wenn ein Mensch ohne seine eigene Mitwirkung nur noch als Betriebsstoff für die Maschinerie Dritter dient, egal ob die Maschine dem Kunstbetrieb oder der Sozialindustrie zuzuordnen ist oder einfach nur als Spielzeug eitler Selbstdarsteller erschaffen wurde.