Artikel 102 GG / Todesstrafe

Kommentare zu dem entstehenden Verfassungsentwurf bitte nur auf dieses Unterforum schreiben, nicht in den Verfassungstext selbst.

Re: Artikel 102 GG / Todesstrafe

Beitragvon Dardonthinis » Mo 18. Nov 2013, 22:49

AlexRE hat geschrieben:Nö, die Absage an die echte lebenslängliche Freiheitsstrafe hat das BVerfG aus Art. 1 GG heraus begründet und damit die Parlamentarier (und die Wähler) komplett abgemeldet:
Artikel 79
(3) Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.

Könnte man auf den ersten Blick meinen; aber durch Änderungen des Artikels 1, ohne die Geltung der Menschenwürde im Grundsatz anzutasten, durch Änderungen im Bereich des Bewährungs- und vorzeitigen Entlassungsrechts sowie im Bereich des verfassungsrechtlichen Prozessrechts des Bundesverfassungsgerichts durch den Gesetzgeber und auch den Verfassungsgesetzgeber, an dessen Gesetzgebung auch das Bundesverfassungsgericht gebunden ist, ließe sich eine Veränderung des Strafverhängungs- und -vollzugsrechts erreichen, die de facto der echten lebenslangen Freiheitsstrafe wesentlich näher käme, wenn sie sie vielleicht auch nicht ganz erreichen würde.
Entsprechendes gilt, wenn der Verfassungsgesetzgeber die Rechte von Opfern schwerer Straftaten und den Gesichtspunkt des Schutzes der Allgemeinheit grundlegend ändern und damit dem Bundesverfassungsgericht ganz andere Abwägungen aufzwingen würde, deren Ergebnis auch wiederum eine weitgehende Annäherung oder sogar vollständiges Wiederherstellen der echten lebenslangen Freiheitsstrafe wäre.

Weiter bleibt es natürlich auch dabei, dass eine über Artikel 146 erzwungene neue Verfassung wiederum ganz andere Entscheidungen und Abwägungen treffen könnte.

Und schließlich gibt es keine ultimative verfassungsrechtliche Sicherung gegen eine verfassungsgesetzgeberische Aufhebung des Artikels 79 Abs. 3 GG. Das ließe sich letzten Endes nur politisch verhindern. Wenn aber ein für ein solche Verfassungsänderung ausreichender politischer Wille entstehen würde, könnten auch verfassungsrechtliche und juristische Dämme eine solche Flut nicht aufhalten.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich würde das nicht befürworten, aber verhindern ließe es sich unter grundlegend veränderten politischen Voraussetzungen letztlich nicht.
Zuletzt geändert von Dardonthinis am Di 19. Nov 2013, 09:28, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Artikel 102 GG / Todesstrafe

Beitragvon AlexRE » Mo 18. Nov 2013, 23:29

Dardonthinis hat geschrieben:Weiter bleibt es natürlich auch dabei, dass eine über Artikel 146 erzwungene neue Verfassung wiederum ganz andere Entscheidungen und Abwägungen treffen könnte.


Eine neue Verfassung würde den Beschränkungen des Art. 79 Abs. 3 GG sicher nicht vollumfänglich unterliegen (z. B. nicht hinsichtlich des Ausschlusses eines Zentralstaats), aber der Artikel 1 und zum Teil auch der Artikel 20 GG (Rechtsstaatsprinzip / Willkürverbot) haben auch eine naturrechtliche Dimension. Eine Verfassung, die Willkür und Folter erlaubt, wäre letztendlich gar keine Verfassung, sondern eine einzige als Verfassung überschriebene politische Lüge. Die Lügner hätten dann aber auch ganz bestimmt kein Problem mehr damit, die Wiedereinführung der Todesstrafe zu "begründen" - und das nicht nur für Mörder, sondern auch für andere "Verbrechen" wie Regierungsbeleidigung oder Erwähnung des Begriffes "Menschenwürde".
Der Stuttgarter OB Rommel:

Ich trete überall, wo das notwendig ist, der Meinung entgegen, der Umstand, dass die Diktatur zu allem fähig war, berechtige dazu, die Demokratie zu allem unfähig zu machen.
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Re: Artikel 102 GG / Todesstrafe

Beitragvon Dardonthinis » Di 19. Nov 2013, 09:24

AlexRE hat geschrieben:
Dardonthinis hat geschrieben:Weiter bleibt es natürlich auch dabei, dass eine über Artikel 146 erzwungene neue Verfassung wiederum ganz andere Entscheidungen und Abwägungen treffen könnte.


Eine neue Verfassung würde den Beschränkungen des Art. 79 Abs. 3 GG sicher nicht vollumfänglich unterliegen (z. B. nicht hinsichtlich des Ausschlusses eines Zentralstaats), aber der Artikel 1 und zum Teil auch der Artikel 20 GG (Rechtsstaatsprinzip / Willkürverbot) haben auch eine naturrechtliche Dimension. Eine Verfassung, die Willkür und Folter erlaubt, wäre letztendlich gar keine Verfassung, sondern eine einzige als Verfassung überschriebene politische Lüge. Die Lügner hätten dann aber auch ganz bestimmt kein Problem mehr damit, die Wiedereinführung der Todesstrafe zu "begründen" - und das nicht nur für Mörder, sondern auch für andere "Verbrechen" wie Regierungsbeleidigung oder Erwähnung des Begriffes "Menschenwürde".

Das ist richtig, und deshalb zitiere ich mich ausnahmsweise mal selbst:
Dardonthinis hat geschrieben:Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich würde das nicht befürworten, aber verhindern ließe es sich unter grundlegend veränderten politischen Voraussetzungen letztlich nicht.

Letzten Endes geht es darum, dass man sich beim Verteidigen der Grundwerte und des Grundgesetzes nicht auf verfassungsrechtliche und juristische Argumente beschränken darf, sondern den Hauptkampf immer auf politischer Ebene zu führen hat, und da gibt es keine letzten Sicherungen, auf die man sich verlassen kann; das ist so wie mit einem Vogel, der nur so lang in der Luft bleibt wie er flattert.
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Re: Artikel 102 GG / Todesstrafe

Beitragvon Dardonthinis » Di 19. Nov 2013, 09:36

AlexRE hat geschrieben:Eine neue Verfassung würde den Beschränkungen des Art. 79 Abs. 3 GG sicher nicht vollumfänglich unterliegen (z. B. nicht hinsichtlich des Ausschlusses eines Zentralstaats), aber der Artikel 1 und zum Teil auch der Artikel 20 GG (Rechtsstaatsprinzip / Willkürverbot) haben auch eine naturrechtliche Dimension. Eine Verfassung, die Willkür und Folter erlaubt, wäre letztendlich gar keine Verfassung, sondern eine einzige als Verfassung überschriebene politische Lüge.

Da stellt sich natürlich wieder die schon vielfach diskutierte Frage nach der Definition der Verfassung. Haben dann alle Staaten, die die Todesstrafe und Folter erlauben sowie die Menschenwürde nicht achten, keine Verfassung?

Deswegen meine ich, dass man die Frage, ob eine Verfassung vorliegt, allein nach den diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Kriterien und nicht nach dem Inhalt einer Verfassung entscheiden sollte:

Definition einer Verfassung: Als Verfassung wird das zentrale Rechtsdokument oder der zentrale Rechtsbestand eines Staates, Gliedstaates oder Staatenverbundes bezeichnet. Sie regelt den grundlegenden organisatorischen Staatsaufbau, die territoriale Gliederung des Staates, die Beziehung zu seinen Gliedstaaten und zu anderen Staaten sowie das Verhältnis zu seinen Normunterworfenen und deren wichtigste Rechte und Pflichten.

Dazu gibt es sehr zahlreiche Quellen, so dass ich mich wohl auf den Hinweis auf Wikipedia beschränken kann.

Und selbstverständlich hat diese Thematik eigentlich nichts im vorliegenden Themenstrang zu suchen.
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Re: Artikel 102 GG / Todesstrafe

Beitragvon Staber » Di 19. Nov 2013, 12:26

@ Dardonthinis
Haben dann alle Staaten, die die Todesstrafe und Folter erlauben sowie die Menschenwürde nicht achten, keine Verfassung?


Doch, haben sie, aber die falsche! ;)
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Re: Artikel 102 GG / Todesstrafe

Beitragvon AlexRE » So 12. Jan 2014, 10:46

Das für die Hinrichtung von Sophie und Hans Scholl verwendete Fallbeil ist in München aufgetaucht und soll jetzt zu einem Ausstellungsstück werden:

http://www.sueddeutsche.de/muenchen/scholl-hinrichtung-wuerdevoller-umgang-mit-guillotine-1.1860655


Bis zum Inkrafttreten des Grundgesetzes im Jahre 1949 wurden in Westdeutschland auch noch Todesurteile mit dem Fallbeil vollstreckt, allerdings mangels solcher Geräte nicht überall:

EINE DOKUMENTATION ÜBER EIN TODESURTEIL VON 1947

Das Ende der Todesstrafe in Westdeutschland

Im November 1945 tötet eine junge Mutter in der französischen Besatzungszone Deutschlands ihren fünfjährigen Sohn und ihre neunzehn Monate alte Tochter. Sie flieht, wird gefasst, in Haft genommen, psychiatrisch begutachtet, im Juli 1947 vor Gericht gestellt und am fünften Verhandlungstag zum Tode verurteilt.

(...)

Im August 1948 werden in der Haftanstalt Mainz im Keller Räume für die Einrichtung einer Hinrichtungsstätte eingerichtet. Eine Schlosserei, die 1945 für die britische Militärregierung ein Richtgerät baute, geht ohne Eifer an die neue Arbeit und stellt die Fertigung für Anfang 1949 in Aussicht. Bauzeichnungen für die Guillotine werden verbummelt und Vorwände gefunden, die Arbeit zu verzögern. Das Fallmesser wird zum Problem, ein Beamter in Dortmund von der dortigen Richtstätte lügt schriftlich nach Mainz, dass das Messer zu stark beansprucht sei und nicht ausgeliehen werden könne. Fünfzehn Messerschmieden schreiben fünfzehn ablehnende Bescheide.

(...)


http://www.berliner-zeitung.de/archiv/eine-dokumentation-ueber-ein-todesurteil-von-1947-das-ende-der-todesstrafe-in-westdeutschland,10810590,9814916.html

Diese Hinrichtung haben sie dann bis zum Inkrafttreten des GG und damit dem Ende aller Hinrichtungen nicht mehr hinbekommen. Die Frau hat überlebt und ist 1970 von Helmut Kohl in seiner damaligen Eigenschaft als rheinland-pfälzischer Ministerpräsident begnadigt worden.

Da war die Schlosserinnung von dem exzessiven Missbrauch der Staatsmacht über Leben und Tod in der Nazizeit doch tatsächlich nachhaltiger angewidert als die Justizbranche ...
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Re: Artikel 102 GG / Todesstrafe

Beitragvon AlexRE » Mo 1. Jun 2015, 16:04

Auf politik-forum.eu zum Thema Todesstrafe geschrieben:

Marty McFly » So 31. Mai 2015, 22:31 hat geschrieben:Meiner Meinung nach sollte man die Todesstrafe auf dem Papier symbolisch behalten, aber schlicht nicht mehr anwenden.

Warum nicht?

- Problematik der stets möglichen Fehlentscheidungen. Tote kann man nicht mehr lebendig machen.
- Es ist deutlich teurer als die Leute lebenslänglich einzusperren.
- Ich möchte es gesetzestreuen Menschen nicht zumuten, diese Leute umzubringen.
- Wehrlose Leute umzubringen gefällt mir nicht. Auch nicht aus Rache. Egal wie schlimm diese Leute auch sein mögen. Ist das nicht gerade der Unterschied zwischen uns und denen?


Schau an, ich dachte immer, dass meine Meinung zu dem Thema eine Einzelmeinung wäre.

Die Gründe gegen die Todesstrafe sind in der Tat erdrückend, wer das Risiko eines Fehlurteils wirklich tragen will, weiß nicht, wovon er redet oder er ist nicht ganz richtig im Kopf. Alle genannten Gründe beziehen sich aber nicht unmittelbar auf die beteiligten Personen, den Täter und das Opfer. In der Regel ist es ein Opfer wert, dass man sein Lebensrecht durch die Todesstrafe höchstmöglich gewichtet. Der Mörder selbst als Person ist gar nichts mehr wert, der hat mit dem Mord einen sozialen Selbstmord begangen. Man kann Fehlurteile und die Hinrichtung Unschuldiger aber nur dann mit der gebotenen absoluten Sicherheit verhindern, wenn man alle Mörder leben lässt - und zwar aus fremden Recht, aus dem aller jemals unschuldig hingerichteten Menschen und aus dem derjenigen, die in der Zukunft noch unschuldig hingerichtet werden würden. Aus ureigenem Recht hat ein Mörder aber ganz sicher kein Lebensrecht mehr, das ist eine Wahnvorstellung dekadenter Gesellschaften bzw. ein Erbe des irrwitzigen Missbrauches der staatlichen Macht zu töten in der Zeit von Faschismus und Stalinismus.
Der Stuttgarter OB Rommel:

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Re: Artikel 102 GG / Todesstrafe

Beitragvon AlexRE » Mi 4. Nov 2015, 22:59

Auf dem Facebook - Profil von RA Heinrich Schmitz gesehen und kommentiert:

Todesstrafenfans - vergesst es !

Vor ein paar Tagen erhielt ich über facebook eine Umfrage zum strafrechtlichen Umgang mit sogenannten Kinderschändern, also Straftätern die sich des sexuellen Missbrauchs von Kindern schuldig gemacht haben - nicht etwa Kindermördern. Als Antwortmöglichkeiten gab es: Todesstrafe, Arbeitslager mit Schwerstarbeit und Freiheitsstrafe. Wenig erstaunt konnte ich sehen, dass über 380000 die Todesstrafe, rund 30000 die Arbeitslager und nur etwas mehr als 3000 die zur Zeit geltende Freiheitsstrafe gewählt hatten.

Unter den Abstimmenden waren auch einige meiner FB-Freunde. Wer im einzelnen für welche Strafe abgestimmt hatte, wollte ich lieber gar nicht wissen. Eine überwältigende Mehrheit für die Todesstrafe, sieh mal einer an. Gut, natürlich war das keine repräsentative Umfrage, aber es war auch keine Umfrage unter Leuten, die ihren Kopf nur dazu haben sich eine Glatze zu rasieren oder einen lustigen Hut darauf zu setzen.

Deutschland, ein Land von Demokraten, eine Oase der Rechtsstaatlichkeit,ein Hort der Freiheit - und dann so eine unverhohlene Begeisterung für die Todesstrafe ? Und diese Erkenntnis traf zusammen mit dem laut zu vernehmenden Ruf nach mehr Demokratie, nach mehr Volksabstimmungen, nach direkter Internetdemokratie und lauter werdender Kritik an der Tätigkeit oder auch Untätigkeit der Parlamentarier. Also, musste ich folgern, bestünde theoretisch die Gefahr, dass die Todesstrafe schon bald wieder einmal ihren Siegeszug durch deutsche Lande führen würde. Im an die Wand stellen und Aufhängen waren wir ja schon mal an der Weltspitze.

Aber dann setzte ich entspannt ein breites Grinsen auf und dankte den Eltern für ihre Weisheit. Nein, nicht meinen Eltern, sondern den Müttern und Vätern unseres Grundgesetzes. 61 Väter und 4 Mütter. Die kannten ihr Volk und seine schwelenden Mordgelüste, seine archaischen Rachebedürfnisse und seine ständige Gefährdung, die Würde des Menschen gering zu schätzen. Und weil sie sie kannten,haben sie dem deutschen Volk eine demokratische Notbremse verpasst, einen unüberwindlichen Wall gegen die Unmenschlichkeit.

Ja liebe Todesstrafenfans, blutdürstige Racheengel, geifernde Stammtischgesellen. Ihr könnt so viele werden wie ihr wollt, die Todesstrafe bekommt ihr trotzdem nicht ! Wegen der Verfassungsväter und -mütter. Wer seine Brut kennt, der setzt ihr früh genug Schranken und da haben die ganze Arbeit geleistet. Die Verfassungsmütter und -väter machten sich auch keine Illusionen, was passieren würde, wenn sie selbst einmal nicht mehr da wären. Wenn die Eltern aus dem Haus sind, wird ja gerne mal eine wilde Fete gefeiert und das Sofa angezündet. Sie dachten auch nicht nur bis zur nächsten Wahl oder bis zur nächsten Woche. Sie dachten in Zeiträumen, die Politiker mittlerweile gar nicht mehr kennen.

Sie dachten für die Ewigkeit.

Nein, Sie haben sich nicht verlesen.

Das Grundgesetz hat eine Ewigkeitsgarantie. O.k. nicht das ganze Grundgesetz , aber die Art. 1 Abs. 1 bis 3 GG und Art. 20 Abs. 1 bis 3 GG gelten bis zum Ende aller Zeiten. Während grundsätzlich der Bundestag mit einer 2/3 Mehrheit das Grundgesetz ändern kann, haben die in die Zukunft schauenden Verfassungseltern das in Art. 79 Abs. 3 GG für bestimmte ihnen ganz wichtige elementare Regeln ein für allemal verhindert. („Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.“ ).

Der ein oder andere Oberschlaue wird jetzt anmerken, dass da aber nichts von Art. 102 GG drinsteht, der lapidar feststellt " Die Todesstrafe ist abgeschafft". Ja richtig, auf den ersten trüben Blick. Weil aber das Verbot der Todesstrafe sich aus dem Prinzip der Menschenwürde ergibt, ist es nichts mit ändern, denn die Menschenwürde wird durch Art. 1 GG geschützt.

Also liebe Todesstrafenfans - vergesst es !



Ich bin zwar auch ein Gegner der Todesstrafe (wegen des Restrisikos, Unschuldige hinzurichten), aber diese Rechtsauffassung halte ich nicht für so evident, wie sie heute meist gehandelt wird:

>> Weil aber das Verbot der Todesstrafe sich aus dem Prinzip der Menschenwürde ergibt, ist es nichts mit ändern, denn die Menschenwürde wird durch Art. 1 GG
geschützt. <<

Wenn der Schutz der Menschenwürde und die Todesstrafe sich gegenseitig ausschließen würden, hätten die AutorInnen des GG die TS nicht 101 Artikel hinter dem ersten ausgeschlossen, sondern eine Legaldefinition dieses Inhalts in Artikel 1 oder 2 aufgenommen.

Auch das Bundesverfassungsgericht hat es noch in den 60er Jahren für im Hinblick auf die Art. 1 und 102 GG unproblematisch angesehen, einen Mörder französischen Henkern auszuliefern, weil der im Rechtsstaat Frankreich einen ordentlichen Prozess bekommen hatte. Außerdem ist auch der Ewigkeitsanspruch der Väter und Mütter des GG nicht ganz so absolutistisch zu sehen, wie er hier dargestellt wurde. Das geht ganz unmissverständlich aus Art. 146 GG hervor.

Fazit: Wenn es um`s Eingemachte - höchstrangige zivilisatorische Errungenschaften - geht, darf man sich nicht auf vorhandenen §§ und Artikeln ausruhen. Jede Art von Recht muss von starken Menschen gelebt, eingefordert und durchgesetzt werden.

Wenn man sich auf fremden Lorbeeren ausruht, ist die Erosion des Erreichten vorprogrammiert.
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Re: Artikel 102 GG / Todesstrafe

Beitragvon Sonnenschein+8+ » Do 5. Nov 2015, 02:18

AlexRE hat geschrieben:Auf dem Facebook - Profil von RA Heinrich Schmitz gesehen und kommentiert:


Der ist RA? oha, wusste ich gar nicht
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Re: Artikel 102 GG / Todesstrafe

Beitragvon AlexRE » Do 5. Nov 2015, 07:07

Sonnenschein+8+ hat geschrieben:
AlexRE hat geschrieben:Auf dem Facebook - Profil von RA Heinrich Schmitz gesehen und kommentiert:


Der ist RA? oha, wusste ich gar nicht


Weil er aussieht wie ein alt - 68er Sozialkundelehrer? ;)
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