Was darf die Kunst?

Was eigentlich auf den Chat gehört, aber dennoch hier verewigt werden soll.

Was darf die Kunst?

Beitragvon Staber » So 28. Jul 2013, 11:43

Der "Künstler" Jonathan Meese räumt nach langem Schweigen vor dem Amtsgericht Kassel ein , im Juni des vergangenen Jahres in einem Gespräch ausgerechnet zum Thema " Größenwahn in der Kunst " eine " Diktatur der Kunst " gefordert und den Arm zum sogenannten " Schnäuzchengruß " erhoben zu haben . Das Gericht wirft den " Selbstvermarktungsvirtuosen", der auf die serielle Produktion von Eklats abonniert ist , das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vor. Das ist noch nicht alles.
Auch in Mannheim wird gegen den 43 jährigen Meese ermittelt , weil dieser bei einer Theateraufführung im Juni dieses Jahres mehrmals nachweislich den Hitlergruß entboten und zudem eine Alien-Puppe mit einem Hakenkreuz verziert hatte . Nicht zu vergessen seine Andeutung von Oralsex mit der Alien-Figur. Also , da fragt man sich doch mit Recht , was das noch mit Kunst zu tun hat.

http://www.spiegel.de/schulspiegel/lebe ... e-a-506479.
http://www.spiegel.de/kultur/gesellscha ... 11877.html

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Re: Was darf die Kunst.

Beitragvon AlexRE » So 28. Jul 2013, 14:14

Der Hitlergruß ist nach der Rechtsprechung ein "Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen". Deshalb ist diese Vorschrift einschlägig:


§ 86a Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. im Inland Kennzeichen einer der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in von ihm verbreiteten Schriften (§ 11 Abs. 3) verwendet oder
2. Gegenstände, die derartige Kennzeichen darstellen oder enthalten, zur Verbreitung oder Verwendung im Inland oder Ausland in der in Nummer 1 bezeichneten Art und Weise herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt.

(2) Kennzeichen im Sinne des Absatzes 1 sind namentlich Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. Den in Satz 1 genannten Kennzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind.

(3) § 86 Abs. 3 und 4 gilt entsprechend.


http://dejure.org/gesetze/StGB/86a.html

Abs. 3 des § 86 StGB:

(3) Absatz 1 gilt nicht, wenn das Propagandamittel oder die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient.



Der Abs. 3 überlässt es demnach den Gerichten, zwischen echter Kunst und missbräuchlich vorgetäuschten künstlerischen Ambitionen zu unterscheiden.

Darauf würde ich mich an der Stelle eines Strafrichters nicht einlassen. Ich würde in jedem Fall, in dem künstlerische Ambitionen behauptet werden, "in dubio pro reo" freisprechen und dem Gesetzgeber überlassen, sich eine praktikable Vorschrift einfallen zu lassen.
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Re: Was darf die Kunst.

Beitragvon Staber » So 28. Jul 2013, 17:52

@Alex
und dem Gesetzgeber überlassen, sich eine praktikable Vorschrift einfallen zu lassen


Na klar, bis dahin, wenn überhaupt , kann ja weiterhin die "Hand zum Gruße" erhoben werden. Die Verfassung schützt eben nicht vor Geschmacklosigkeit.Insofern rechtfertigt die Freiheit der Kunst jedes noch so abgestandenes Mittel.

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Re: Was darf die Kunst.

Beitragvon AlexRE » So 28. Jul 2013, 18:40

Staber hat geschrieben:@Alex
und dem Gesetzgeber überlassen, sich eine praktikable Vorschrift einfallen zu lassen


Na klar, bis dahin, wenn überhaupt , kann ja weiterhin die "Hand zum Gruße" erhoben werden. Die Verfassung schützt eben nicht vor Geschmacklosigkeit. Insofern rechtfertigt die Freiheit der Kunst jedes noch so abgestandenes Mittel.

gruß horst


Das Grundgesetz würde vielleicht eine schärfere Vorschrift als § 86 a i. V. m. § 86 Abs. 3 erlauben, soweit es die Freiheit der Kunst betrifft. Die gibt es aber nicht und Gerichten steht es nicht zu, etwas strafrechtlich zu verbieten, was der Gesetzgeber nicht verboten hat.

Eine sehr weitgehende Auslegung von Strafrechtsnormen zu Lasten des Angeklagten ist auf jeden Fall verfassungswidrig, siehe Art. 103 Abs. 2 GG und Art. 7 EMRK.
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Re: Was darf die Kunst?

Beitragvon maxikatze » Di 7. Jan 2020, 10:24

Satire ist auch Kunst.
Nach meinem Verständnis sind Beleidigungen weder Kunst noch Satire. Da hilft der nachgeschobene Hinweis auch nicht, dass es sich bei Beleidigungen um Satire handelt. Oder hilft er neuerdings doch gegen Anzeigen?
Wenn von Komikern Wörter fallen, wie Ziegenf....., Nazischlampe und Stück Sche...e usw von Nicht-Komikern gesagt werden, ist das für den Betroffenen nicht hinnehmbar, aber lt Richter keine Diffamierungen der Personen darstellen, was sind dann strafbare Aussagen?
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Re: Was darf die Satire?

Beitragvon maxikatze » Mi 29. Jan 2020, 06:43

Uns erinnern noch 15 Jahre später die Mohammed-Karikaturen an der dänische Zeitung "Jyllands-Posten", die in der muslimischen Welt nicht nur Empörung und Hysterie hervorgerufen hat, sondern es deswegen sogar Mordanschläge von Fanatikern gegeben hat.
Auch diesmal stößt "Jyllands-Posten" auf Kritik, diesmal aus China, wegen einer Persiflage. China erwartet eine Entschuldigung. Aber warum? Humor ist wohl nicht deren Stärke. Wenn Satire nichts mehr auf die Schippe nehmen darf, ist es keine mehr. Denn irgendwer ist immer beleidigt.
Diesmal ist das Corpus Delicti eine Abwandlung der chinesischen Nationalflagge, auf der keine Sterne sondern Abbildungen der Corona-Viren zu sehen sind.

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https://web.de/magazine/panorama/china- ... s-34380928
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Re: Was darf die Kunst.

Beitragvon maxikatze » Mi 28. Apr 2021, 17:54

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Re: Was darf die Kunst.

Beitragvon Staber » Mi 28. Apr 2021, 21:28

Immer wieder gibt es Skandale um Kunst, wenn sie ästhetische und moralische Grenzen überschreitet. Schnell stellen sich dann die Fragen: Wozu Kunst? Was darf Kunst? Eine Ethik der Kunst als Teilbereich der Philosophie oder der Angewandten Ethik gibt es bislang jedoch noch nicht.
Im Grundgesetz Artikel 5 der Bundesrepublik Deutschland heißt es:

„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“


Darf Kunst also wirklich alles und wenn Kunst alles darf, kann dann alles Kunst sein? Wenn dem nicht so ist, wo verlaufen die Grenzen zwischen Kunst und Nichtkunst?
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Re: Was darf die Kunst.

Beitragvon maxikatze » Do 29. Apr 2021, 08:05

Staber hat geschrieben:Immer wieder gibt es Skandale um Kunst, wenn sie ästhetische und moralische Grenzen überschreitet. Schnell stellen sich dann die Fragen: Wozu Kunst? Was darf Kunst? Eine Ethik der Kunst als Teilbereich der Philosophie oder der Angewandten Ethik gibt es bislang jedoch noch nicht.
Im Grundgesetz Artikel 5 der Bundesrepublik Deutschland heißt es:

„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“


Darf Kunst also wirklich alles und wenn Kunst alles darf, kann dann alles Kunst sein? Wenn dem nicht so ist, wo verlaufen die Grenzen zwischen Kunst und Nichtkunst?


Die Grenze wird wohl fließend verlaufen. Denn Kunst ist nicht immer wertvoll, manchmal hart an der Grenze der Geschmacklosigkeit. Sie liegt bei Satire - die eine der Kunstformen ist - wohl im Auge des Betrachters.
Beispiele:
Manche fühlen sich beim Anblick der Mohammed-Karikaturen schwer beleidigt, andere dagegen bezeichnen sie als zutreffend.
Anfang letzten Jahres gab es Kontroversen über das Lied "Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad". Ist es Satire, ist es Kunst oder eine Beleidigung gegen die alte Generation, die diesen Staat nach dem Krieg aufgebaut und zu Wohlstand gebracht hat? Darüber streiten die Gemüter.
Satire ist eine Form der Kunst - und manchmal schwer zu ertragen. Ob vortragende Kunst gut oder schlecht ist, liegt (glaube ich) daher im Auge des Betrachters.

Etwas anders liegt es bei der darstellenden Kunst. Der Preis richtet sich u.a. auch nach dem Bekanntheitsgrad desjenigen, der das Werk erschaffen hat. Ist aber nicht das einzige Kriterium.

Video:
https://www.br.de/mediathek/video/erkla ... 0018afb6ca
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Re: Was darf die Kunst.

Beitragvon maxikatze » Sa 1. Mai 2021, 08:08

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