Frank_Kemper
Ich habe mich auch gewundert, wie schnell die CSU ihren Pressesprecher abgeschossen hat. Meine Vermutung: Der Anruf war weder der einzige, noch war er in Ton und Inhalt für CSU-Verhältnisse sonderlich dreist. Und dann hat sich die CSU (zu recht) gefürchtet, das ZDF - und ein paar andere Sender - könnte seiner journalistischen Chronistenpflicht nachkommen und künftig all diese Anrufe dokumentieren und ihren Inhalt öffentlich machen. Und ich weiß ja nicht genau, wie Ihre Erfahrungen so sind, geschätzter Herr Höcker, aber ein Subjekt meiner Berichterstattung, das von seinem Anwalt bei mir anrufen lässt mit dem Ziel, meine Berichterstattung über sich zu beeinflussen, darf anschließend mit allem rechnen, nur nicht mit Verständnis. Es kommt ja sehr auf das Medium an, worum es geht, aber es gibt ja auch viele Akteure, die es gelegentlich sehr schätzen, wenn über sie berichtet wird. Spitzenpolitiker gehören sicherlich dazu. Und die sollten Journalisten nicht bedrohen, das ist nämlich schlecht fürs Image, selbst wenn man es rein juristisch vielleicht tun darf.
Zur Sache: Sollte Herr Strepp tatsächlich außergewöhnliches Interesse dafür bekundet haben, ob und in welchem Umfang das ZDF über einen Parteitag des politischen Gegners berichtet, wäre das allein ja bereits eine Meldung wert. Das ist im Rest der Republik vielleicht etwas untergegangen, aber auf diesem Parteitag wurde Christian Ude offiziell zum Kandidaten für die 2013 anstehenden Wahlen in Bayern gekürt. Der Mann ist für einen bayerischen SPD-Politiker enorm populär, und es werden ihm erstmals Chancen eingeräumt, die CSU abzulösen. In Anbetracht der Tatsache, dass das ZDF in epischer Breite über politische Aktivitäten berichtet, die für deutsche Wähler komplett irrelevant sind (zum Beispiel die Klitschko-Partei in der Ukraine), stellt sich nicht die Frage, wieso "heute" über den SPD-Parteitag berichtet hat, sondern wieso es die ARD offenbar nicht gemacht hat. Vielleicht hatte Strepp mit seinen Anrufen beim BR mehr Erfolg - auch das wäre Grund für eine Geschichte;-)
Ralf_Hoecker
Herr Kemper, es ist interessant, dass Sie von "Subjekten Ihrer Berichterstattung" schreiben, diesen Subjekten dann aber doch eher Objekt-Qualität zusprechen, weil diese eben keinen Einfluss nehmen, sondern sich einfach alles gefallen lassen sollen, was Sie schreiben möchten. Das ist m.E. Journalismus nach Gutsherrenart, der nicht funktionieren kann. Und wenn Sie meinen, dass Anrufe in Redaktionen "schlecht fürs Image" seien, sage ich: "Na und?" Es geht den "Subjekten der Berichterstattung" nach meiner Erfahrung im Allgemeinen nicht darum, welches Image sie bei Redaktionen haben, sondern darum, eine negative Berichterstattung abzuwenden, sie aus dem Netz zu entfernen oder künftig zu verhindern, dass sie sich wiederholt. Das ist das Ziel. Und ich kann Ihnen versichern, dass genau das mit einer im Einzelfall wohl abzuwägenden Kombination aus Konfrontation und Kooperation bestens funktioniert. Es ist wie überall im Leben: Auch Journalisten reagieren am besten auf die Kombination aus Zuckerbrot UND Peitsche.....
Frank_Kemper
Ich stelle mal eine von meinem verfassungsmäßigen Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckte Hypothese auf: "Sie stellen die These auf, dass es erstens in Ordnung sei, Journalisten zu drohen, dass Journalisten zweitens im Rahmen der Sorgfaltspflicht solche Drohungen nicht nur anhören, sondern auch noch inhaltlich abwägen müssten, und dass dies drittens ein Weg des Umgangs mit Journalisten sei, der im Sinne des Anrufenden zu einem positiven Ergebnis führt. Diese These stellen Sie mit dem Hintergedanken auf, dass Leuten, die mit der Berichterstattung in den Medien nicht einverstanden sind, der Gedanke kommen könnte, dass es nur eines schneidigen Medienanwaltes bedarf, dann spurt die Meute." Ende der Hypothese. Liege ich falsch oder richtig? Sagen Sie es mir.
Ich persönlich lasse mich nicht von Anwälten am Telefon bedrohen. Ich beende solche Gespräche mit dem Hinweis, man möge sich doch bitte an unsere Rechtsabteilung wenden. Kommen Nichtjuristen auf den Gedanken, mich am Telefon bedrohen zu wollen, ist das Gespräch in der Regel an diesem Punkt ebenfalls beendet - und weitere Gespräche ebenfalls.
Es wäre aber bestimmt lustig, Ihnen einmal bei einer Diskussion mit einem PR-Fachmann über den "richtigen" Umgang mit Journalisten zuzuhören;-)
Ralf_Hoecker
Lieber Herr Kemper, zu Ihren Fragen:
1. Ja, es ist in Ordnung, Journalisten zu drohen, solange man nicht die Grenze der strafbaren Nötigung überschreitet. Das ist z.B. der Fall, wenn man strafbare Mittel androht (z.B. körperliche Gewalt) oder wenn der erstrebte Zweck strafbar wäre. Beides war im Fall Strepp nicht der Fall. Auch die Zweck-Mittel-Relation war nicht unangemessen. Der Anruf war also vollkommen harmlos und in Ordnung.
2. Natürlich müssen Journalisten im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht jegliche relevanten Informationen verwenden, die man ihnen anbietet. Ob diese ihnen in Form einer Drohung oder zusammen mit einem Blumenstrauß übermittelt werden, ist presserechtlich vollkommen gleichgültig. Der Journalist muss sie in jedem Fall berücksichtigen.
3. Ja, in manchen Fällen führen nach meiner jahrelangen Berufserfahrung nur Drohungen zum Ziel. Das dürfen Sie mir glauben. Ich beginne immer mit freundlicher Kontaktaufnahme und dem Versuch, eine sachliche Diskussion zu führen. Bis dahin mache ich nichts anderes als PR-Agenturen. Es gibt aber sagenhaft uneinsichtige Journalisten, die sich mit Sachargumenten ganz einfach nicht beeindrucken lassen. Eine einstweilige Verfügung oder die bloße Drohung damit wirkt dann schon einmal Wunder.
Wenn Sie sich am Telefon von Anwälten keine rechtlichen Maßnahmen androhen lassen wollen, ist das Ihre Entscheidung. Manche Journalisten handeln so, dann spricht man eben mit der Rechtsabteilung weiter. Andere bleiben im Dialog mit mir. Wieder andere machen auch beides. Für mich ist das alles ok.
Die Diskussionen mit PR-Fachleuten zu diesem Thema habe ich übrigens dauernd. In der Regel bestätigen sie mir, dass mir auf der Eskalationsleiter ganz einfach ein paar Sprossen mehr zur Verfügung stehen als ihnen. Und nicht wenige kontaktieren mich dann, wenn sie mit Argumenten bei einem Journalisten nicht mehr weiterkommen.
Frank_Kemper
Geschätzter Herr Höcker, wir beide haben ganz offensichtlich eine unterschiedliche Auffassung davon, was der Terminus "in Ordnung" bedeutet. Ich persönlich vertrete die Auffassung, dass nicht alles in Ordnung ist, was juristisch nicht zu verfolgen ist. Insofern finde ich Ihre Thesen recht steil, aber das war ja sicherlich auch Ihr Anliegen.
Was die Causa angeht, stimme ich Ihnen inhaltlich vermutlich weitestgehend zu. Ich arbeite nicht im politischen Journalismus, aber ich kann mir lebhaft vorstellen, dass man sich da als Journalist einiges anhören muss vom politischen Apparat. Warum es ausgerechnet den bislang ziemlich unauffälligen Herrn Strepp jetzt so schnell und gründlich zerlegt hat, verschließt sich mir. Und wir dürfen auch nicht vergessen, wer jetzt das große Geheul anstimmt: Es sind nicht die betroffenen Journalisten, sondern oft Verbandsorgane - und nicht zuletzt Vertreter aus dem gegnerischen Lager. Die werden dafür bezahlt, bei Bedarf empört zu klingen. Das gehört zum Spiel.
http://www.vocer.org/de/artikel/do/deta ... -okay.html