Krebsklinik-Skandal in Marburg
Lebensretter ohne Chance
Für mehr als 100 Millionen Euro ist an der Marburger Uni-Klinik ein Zentrum für innovative Krebstherapie aufgebaut worden - doch die Ionenstrahl-Kanone, Kernstück der Anlage, wird gar nicht genutzt. Zu teuer, sagt der private Betreiber. Jetzt droht der Skandalfall zu eskalieren.
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Die Privatisierung brachte das Ende
Seit Mitte 2011 hätten Patienten in Marburg mit dem Gerät behandelt und weitere potentielle Einsatzgebiete des Ionenstrahls erforscht werden können. Der monströse Ring-Beschleuniger im hinteren Teil des imposanten Gebäudes auf den Lahnbergen treibt die aus Wasser- und Kohlenstoff erzeugten Atome mit Hilfe von ultrastarken Elektromagneten zuverlässig bis auf etwa drei Viertel der Lichtgeschwindigkeit. Dann kann der Teilchenstrahl in einen von vier Behandlungsräumen geleitet werden, in denen die Patienten abgeschirmt hinter meterdicken Betonwänden liegen. Zwei hochmoderne Computertomografen helfen dabei, die Lage und Größe der Tumore, zu denen der Strahl mit Hilfe einer hochkomplexen Steuerung geführt werden soll, exakt zu bestimmen.
Technisch funktioniert das bereits seit über einem Jahr - und doch wird die Anlage weder für die Behandlung von Patienten noch zur Krebsforschung genutzt. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen, die seit sechs Jahren in Marburg Priorität haben: Die dortige Universitätsklinik wurde 2006 zusammen mit der Uni-Klinik Gießen vom Land Hessen an den privaten Klinikbetreiber Rhön-Klinikum AG verkauft. Es war die erste und bislang einzige Privatisierung einer Uni-Klinik in Deutschland. Die Rhön-Klinikum AG hatte damals den Bau des Teilchenbeschleunigers im Gegenwert von 107 Millionen Euro als Teil des Kaufpreises versprochen. Aber just in dem Moment, als die riesige Strahlenkanone fertig war, hatte das Unternehmen schon kein Interesse mehr daran. Denn es stellte sich heraus, dass dort bei weitem nicht so viele Patienten behandelt werden können, wie die Kaufleute bei Rhön geplant hatten.
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http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/strahlentherapie-skandal-um-ionenstrahl-kanone-an-uniklinik-marburg-a-856852.html