Auszüge über die Folgen über die Ökonomisierung in Krankenhäusern. Der Autor ist selbst ein Arzt.
"Tatsächlich hat aber der Kostendruck die Personaldecke im Krankenhaus so verkürzt, dass vielerorts nicht mehr nach professionellen Maßstäben gearbeitet werden kann.
Der resultierende wirtschaftliche Druck ist existenzbedrohend. Geschlossen werden vorwiegend kleine Krankenhäuser in der Fläche. Anlass für die Schließung ist nicht fehlender Bedarf, sondern die drohende Insolvenz. Vom Versorgungsauftrag her paradox, aber in der betriebswirtschaftlichen Logik rational, treiben manche Krankenhäuser deshalb Werbekampagnen zur Nachfragesteigerung. Das Gesundheitswesen zielt aber ursprünglich nicht auf Gewinn oder Rendite in der üblichen Form. Der Gewinn besteht nicht in Geld, sondern in menschlichem Leben.
Dabei nehmen sie eine Schlüsselstellung ein. Gegenüber den Kostenträgern stellen sie den Finanzbedarf und gegenüber den Patienten den Bedarf an medizinischer Hilfe fest. Niemandem sonst wird diese Kompetenz zugetraut und auch zugemutet. Wer ein Krankenhaus betreibt, kann nicht anders, als die Ärzte zum Vermeiden von Kosten und zum Steigern von Erlösen aufzufordern. Der unter Kostendruck stehende Krankenhausträger gibt den Druck an sein Management und dies gibt ihn an die Chefärzte weiter.
Chefärzte hatten im deutschen Krankenhaus bislang eine starke Position. Inzwischen sind sie von der Ökonomisierung gewissermaßen überrollt worden. Das Management hat die Leitung usurpiert. Chefärzte tragen heute „unternehmerische Verantwortung“, sie sollen „Führungsfähigkeiten“ haben und werden selbst vom Management am kurzen Zügel geführt. Unternehmerische Verantwortung heißt, dass sie das Überlebensinteresse des Hauses mindestens ebenso hoch gewichten müssen wie die Interessen der in ihren Abteilungen versorgten Patienten. Von ihnen wird also eine doppelte, eine widersprüchliche Motivation erwartet. Öffentlichkeit und Patienten dürfen aber von Ärzten nicht nur technisches, handwerkliches, kommunikatives und organisatorisches Geschick, sondern vor allem auch eine eindeutige Motivation erwarten. Patienten sind auf Vertrauenswürdigkeit angewiesen. Deshalb sollen Ärzte das Gefälle zwischen ihrer Verfügungsmacht und der Abhängigkeit ihrer Patienten durch eine spezifische Haltung ausgleichen. Im Zweifelsfall soll das Patientenwohl vorgehen. Das gehört zur ärztlichen Professionalität."
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