Gendarmen witterten Sittenzerfall: «Nu couché (sur la côté gauche)» von Grossmeister Modigliani. Bild: Photoshot (Keystone)
Viktor Orbán will die ungarische Geburtenrate bis 2030 von gegenwärtig 1,5 auf 2,1 Kinder pro Frau steigern. Dafür investiert Ungarn mehr Geld als jedes andere Land in der EU. Verantwortlich für den angestrebten Kindersegen ist Katalin Novák, der eine grosse Zukunft vorausgesagt wird.
02.05.2018
Von Boris Kálnoky
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In der EU ist viel versucht worden, um das Problem schwacher Geburtenraten zu lösen. Tatsächlich gibt es Fortschritte: In Deutschland etwa ist die Geburtenrate von 1,39 im Jahr 2010 auf gegenwärtig 1,59 Kinder pro Frau gestiegen; bei Frauen mit deutscher Staatsangehörigkeit beträgt die Rate allerdings nur 1,46. In Ungarn stieg die Rate im selben Zeitraum von 1,25 auf 1,5 Kinder pro Frau. Es waren zwar Jahre, in denen Orbán regierte. Inwiefern aber seine schon immer dezidiert familienfreundliche Politik zum Anstieg beitrug und wie viel davon auf einen breiteren europäischen Trend zurückgeht, das ist nicht klar auszumachen.
Orbán verkündete dennoch eine gewagte Zielvorgabe: Bis 2030 soll Ungarns Geburtenrate weiter auf 2,1 Kinder pro Frau steigen. Dies ist das Niveau, das erforderlich wäre, damit die Bevölkerung – ohne Einwanderung – nicht weiter schrumpft. Um diesen Wert zu erreichen, müsste der Anstieg der Geburtenrate nicht nur in den nächsten zwölf Jahren anhalten, sondern sich deutlich beschleunigen.
Damit das gelingt, muss Ungarn in vielen Bereichen Nachholarbeit leisten. Teilzeitarbeitsplätze beispielsweise helfen jungen Müttern; in Ungarn gibt es davon aber verhältnismässig weniger als anderswo in der EU. Es hat anteilsmässig auch weniger Kita-Plätze für Kinder im Alter von zwei und drei Jahren. (Ab vier Jahren ist Kindergarten Pflicht.) Und es gibt auch weniger arbeitende Mütter kleiner Kinder. Entsprechend gibt es weniger Einkommen in den Familien, was wiederum die Bereitschaft senkt, nach dem ersten noch ein zweites oder drittes Kind zu planen.
Der Schlüssel zur erhöhten Geburtenrate soll nun eine innovative Herangehensweise sein – und vor allem viel Geld. Ungarn will in den nächsten Jahren einen höheren Anteil des Bruttoinlandprodukts (BIP) zur Stärkung der Familien ausgeben als jedes andere EU-Land. Schon jetzt steht das Land mit 3,5 Prozent des BIP für Familienförderung europaweit an der Spitze.
Mit diesem Geld wird unter anderem das «Csok»-Programm finanziert, das für Familien mit Kindern Geldgeschenke von umgerechnet 33 000 Euro vorsieht, wenn sie davon eine Wohnung kaufen. Weitere 33 000 Euro gibt es als zinslosen Kredit dazu.
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