kopiert von >Bildungspolitik auf dem Schwesterforum, der komplette Beitrag von Santo, vom 22.01.2011 18:38:
Erziehung in der Kontroverse In der heutigen Tagespresse findet sich die Darstellung einer wie ich finde auch für den Bildungssektor äußerst wichtigen aktuellen Erziehungsdebatte:
"Diese Chinesin löst weltweite Erziehungs-Debatte aus
Für den Erfolg musst du deine Kinder quälen!
Dürfen Eltern Kinder zum Erfolg zwingen? Sie mit Druck und Erniedrigungen zu Spitzenleistungen treiben?
Die
US-Professorin Amy Chua hat diese Methoden bei ihren beiden Töchtern angewandt – die Methoden ihrer eigenen, chinesischen Eltern. Jetzt hat sie ihre Geschichte aufgeschrieben (auf Deutsch ab 26. Januar*) – und weltweit eine Erziehungs-Debatte ausgelöst.
* „Die Mutter des Erfolgs: Wie ich meinen Kindern das Siegen beibrachte“, (Nagel & Kimche, 256 Seiten, 19,90 Euro)
Das „Wall Street Journal“ druckte Auszüge aus dem umstrittenen Buch:
„Was meine Töchter Sophia und Louisa niemals durften, war:
• bei Freundinnen übernachten
• Kinderpartys besuchen
• im Schultheater mitspielen
• sich beklagen, dass sie nicht im Schultheater mitspielen dürfen fernsehen oder Computerspiele spielen
• sich ihre Freizeitaktivitäten selbst aussuchen
• eine schlechtere als die Bestnote bekommen
• nicht in jedem Fach, außer Turnen und Theater, Klassenbeste sein
• ein anderes Instrument spielen als Klavier oder Geige
• nicht Klavier oder Geige spielen.“
Was dieser Zwang soll? Ganz einfach, erklärt die „chinesische Mutter“ Chua: „Um auf irgendeinem Gebiet gut zu werden, muss man sich anstrengen, und von selber haben Kinder grundsätzlich keine Lust, sich anzustrengen – deshalb ist es ja so immens wichtig, dass man sich über ihre natürlichen Tendenzen hinwegsetzt. Von den Eltern erfordert dies Stärke und Standhaftigkeit, denn das Kind leistet selbstverständlich Widerstand.“
Und Widerstand nimmt Chua nicht hin. Ein Beispiel: „Lulu war etwa sieben und arbeitete an einem Klavierstück des französischen Komponisten Jacques Ibert, ‚Le petit âne blanc‘. Das Stück ist reizend, aber auch unglaublich schwierig für junge Klavierschüler.
Lulu schaffte es nicht. Wir arbeiteten eine Woche lang ununterbrochen daran. Am Tag vor der nächsten Unterrichtsstunde verkündete Lulu erbittert, sie habe keine Lust mehr, und stürmte davon.
‚Setz dich wieder ans Klavier‘, befahl ich. ‚Du kannst mich nicht zwingen.‘ ,O doch, das kann ich.’ Wieder am Klavier, ließ Lulu mich büßen. Sie boxte, schlug und trat. Sie packte die Notenblätter und zerriss sie in Fetzen. Ich klebte die Noten wieder zusammen und schweißte sie in Plastik ein, damit sie nie wieder zerrissen werden konnten.
Dann schleppte ich Lulus Puppenhaus ins Auto und teilte ihr mit, dass ich es Stück für Stück der Heilsarmee spenden würde, wenn sie den ‚kleinen weißen Esel‘ nicht am nächsten Tag perfekt spielte.
Ich wandte jede Waffe und jede Taktik an, die mir einfiel. Wir arbeiteten ohne Abendessen bis in die Nacht hinein, und ich ließ Lulu nie aufstehen, sie bekam weder Wasser noch durfte sie aufs Klo.
Das Haus war zum Kriegsgebiet geworden, ich war heiser vom Schreien, und trotzdem ging es nur bergab – allmählich beschlichen sogar mich Zweifel.
Aber auf einmal, wie aus dem Nichts heraus, klappte es. Ich hielt den Atem an. Zögernd versuchte Lulu es noch einmal. Dann spielte sie es selbstsicherer und schneller. Und jetzt strahlte sie. ,Mama, schau nur – das ist ja leicht!’
In dieser Nacht kam sie zu mir ins Bett, und wir kuschelten uns engumschlungen aneinander und kringelten uns vor Lachen.“
Chua stellt fest: „Tatsache ist, dass chinesische Eltern sich Dinge leisten können, die in westlichen Augen undenkbar sind. Chinesische Mütter können zu ihren Töchtern sagen: ‚He, Dickerchen, nimm mal ein bisschen ab, du bist zu fett.‘“ Oder: „,Du bist ein faules Stück. Wenn du so weitermachst, bist du bald der letzte Trottel in der Klasse.‘ Westliche Eltern hingegen haben mit ihrem eigenen zwiespältigen Verhältnis zu Leistung und Erfolg zu kämpfen und versuchen, sich einzureden, dass sie nicht enttäuscht darüber sind, was aus ihren Kindern geworden ist.“
Dabei, so Chua, sei doch nichts schlimmer für das Selbstwertgefühl eines Kindes, als zuzulassen, dass es aufgibt.
Ihr Fazit: „Westliche Eltern bemühen sich, die Individualität ihrer Kinder zu respektieren. Die Chinesen hingegen sind überzeugt, dass der beste Schutz, den sie ihren Kindern bieten können, darin besteht, sie auf die Zukunft vorzubereiten, sie erkennen zu lassen, wozu sie imstande sind, und ihnen Fähigkeiten, eiserne Disziplin und Selbstvertrauen mit auf den Weg zu geben, die ihnen keiner je nehmen kann.“
Quelle:
http://www.bild.de/BILD/ratgeber/kind-f ... -den-erf...
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Kommentar (Santo) :
Unabhängig davon, dass die Formulierung "quälen" nicht gut gewählt erscheint, da dies in diesem Zusammenhang erst einmal allgemeingültig definiert werden müsste, vermittelt der nach westlichem Dafürhalten überharte chinesische (oder auch fernöstliche, da auch in anderen Ländern dort ähnlich praktiziert) Erziehungsstil eine wichtige Grundlagenerkenntnis, die man bei aller möglichen Kritik an dem Vorgehen nicht übersehen sollte.
Der in den letzten Jahrzehnten zusehends "verweichlichte" "westliche" Erziehungsstil in Europa, vorzugsweise nach 1968 in Deutschland mit seinen Grundsätzen, wie "Du Du, das darfst Du nicht" und ähnlichem konsequenzlosen und daher lerntheoretisch unds praktisch oft wenig sinnvollem Vorgehen vernachlässigt einen äußerst wichtigen Umstand menschlicher Entwicklung und verstärkt deren Nachteile. Jeder Mensch, so auch und gerade ein Kind, hat beim Lernen früher oder später einfach nur Unlust, Interesselosigkeit oder psychische und/oder körperliche Ermattung mit ersterer Folge. Nach westlichem Erziehungsmuster übersieht oder ignoriert man den Umstand, das genau dieses erste oder auch noch zweite Nachlassen bei einer Aufgabenstellung mit der Folge des Aufgebens kaum jemals das tatsächliche Leistungsvermögen eines Menschen widerspiegelt. Gibt man dem nun nach, wie in Deutschland zumeist üblich, so konditioniert man ein Verhalten, das schon nach geringer Leistungsanforderung signalisiert, dass man die Anstrengung nun einstellen könne, was auf lange Sicht definitiv zu vermindertem Leistungsvermögen führt. Wichtig wäre es exakt an dieser Stelle dem Lernenden zu vermitteln, dass dies nicht seine Leistungsgrenzen sind und er/sie zu weit mehr in der Lage ist als es zunächst scheint. Genau das lässt sich jedoch nicht mit Nachgiebigkeit und der Entscheidungsabgabe und Überlassung an das Kind erreichen, ob es weitermachen wolle oder nicht, sondern nur mit einer Form sinnvoller Durchsetzung von Disziplin und Durchhaltevermögen. Erziehung ist grundsätzlich im Wesentlichen nichts anderes als die laienhafte Ausformung operanter Konditionierung der Verhaltenstherapie. Das einzige was hier noch zur Diskussion sethen kann, ist die konkrete Ausformung dessen, wie man Disziplin, Ausdauer, Durchhaltevermögen und damit das Erkennen der tatsächlichen Grenzen des eigenen Handlungsvermögens beim Nachwuchs konditioniert. Dass dies nicht in übermäßiger tatsächlicher, letztlich schadensgeneigter Quälerei ausarten darf sollte dabei genauso klar sein, wie , dass die "weiche Schule" nur ein unterproportionales leistungsvermögen zu kreieren in der Lage ist. Die für diesen Bereich Verantwortlichen aus Politik, Human-Biologie, Psychologie, Soziologie und weiterer wichtiger wissenschaftszweige sind dringend aufgerufen hier einen gangbaren Mittelweg zu entwerfen. Wie bislang kann und darf es nicht weitergehen, insbesondere im Hinblick auf die verfehlten "Gender-Mainstreaming-Strukturen", die meines Erachtens letztlich darauf hinauslaufen eine widernatürliche psychologisch-soziologische geschlechtliche Gleichmacherei herbeizuführen...
Ich wünsche eine anregende, sachliche Diskussion zu diesem heiklen Thema...